Abfahren auf Papestraße

Ausschuss gibt grünes Licht zum Ausbau des ICE-Bahnhofs Papestraße. Doch der Verkehrsknoten ist verzwickt: Er kommt vielleicht teurer, ist nur für Autofahrer, zu groß und für Flieger kein Zeitgewinn

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Erfreut zeigte sich der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer am Mittwoch im Ausschuss für Bauen und Verkehr dann doch: Da hatte seine Fraktion einen Antrag zum „Ausbau des Bahnhofs Papestraße für den ICE-Verkehr“ ins Gremium eingebracht. Statt die von der Deutschen Bahn AG einmal anvisierte Planung, nur Bahnsteige für Regionalzüge für den Bahnhof zu bauen, sollten am geplanten „Südkreuz“ auch Fernzüge halten können, weil das „Einzugspotenzial“ aus dem südlichen Berlin und dem Umland dies erforderlich machte. Zwei ICE-Bahnsteige forderte Cramer – und alle waren dafür.

Und mehr noch. Die Fraktionsmitglieder, von PDS und SPD über die FDP bis zur CDU, stimmten „für den Bau“ des Bahnhofs Papestraße als zweiter großer Fernbahnhof auf der Nord-Süd-Strecke zum Lehrter Zentralbahnhof und hinunter in Richtung Leipzig. „Das ist eine einstimmige Aufforderung an das Abgeordnetenhaus für die Realisierung Papestraße“, resümierte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christian Gaebler. Und Cramer nickte, zufrieden, hinterher.

Dass der richtungsweisende Beschluss kaum schief gehen konnte, wusste der grüne Verkehrsspezialist. Bahnvorstand Mehdorn hatte sich von der Linie, wegen Sparmaßnahmen den Neubau des Bahnhofs Papestraße auf Eis zu legen, jüngst verabschiedet. Außerdem hatte sich das Land bereits in den 90er-Jahren auf den ICE-Haltepunkt festgelegt – darum die Einigkeit im Ausschuss, aber auch das klare Signal an den Senat, der Bahn Baurecht zu erteilen.

Die Bahn will bis 2006 das nach dem Lehrter Bahnhof „zweitwichtigste Verkehrsbauwerk“ für 115 Millionen Euro betriebsfähig machen. Dazu zählen die Herstellung „von Bahnsteigen für Fern- und Regionalzüge“, wie DB-Projektleiter Debuschewitz im Ausschuss wiederholte, die 150 Meter lange und 30 Meter breite Glashalle über der west-östlichen Ringbahn sowie die beiden Betonplatten, auf denen zwei große Parkhäuser für rund 1.700 beziehungsweise 900 Autostellplätze entstehen sollen, für die die Bahn einen privaten Investor sucht. Offen ist, ob die Trasse für die Dresdner Bahn, von der ein Abzweig zum Flughafen Schönefeld führen soll, beim Bau des Bahnhofs Papestraße mit berücksichtigt wird.

Trotz dieser Entscheidung ist man in Berlin über den Sinn des Südbahnhofs und seine weiterführenden Funktionen nicht einig. Ob die prognostizierten 120.000 Fahrgäste täglich dort von der S-Bahn, der Ringbahn oder den Regionalzügen in die Fernbahnen und umgekehrt einsteigen werden, gehört noch zu den marginalen Fragen. Während die Bahn und Cramer die Notwendigkeit des südlichen Kreuzungs- und Haltepunkts für Reisende sehen („Einzugspotenzial, das dem Münchener Hauptbahnhof entspricht“), fürchten Skeptiker, dass der fertige Lehrter Bahnhof sich zum zentralen Magneten entwickelt und Reisende die Papestraße links liegen lassen – vergleichbar der Rolle des ICE-Bahnhofs Spandau, der bis dato nur täglich 35.000 Besucher anzieht, steigt doch die Mehrheit am Zoo (200.000) ein.

Auch die Rolle des Bahnhofs als „Autofahrerbahnhof“ wird kritisch beleuchtet. Zum einen fürchtet selbst Cramer, dass der Steuerzahler die Last der Parkdecks zu spüren bekommt, weil die Bahn keinen Investor auftreiben kann. Zum anderen ist er, wie etwa die Bürgerinitiative Westtangente, davon überzeugt, dass das „zweifelhafte“ Stellplatzprojekt Autokolonnen aus dem Süden Berlins nach Schöneberg ziehen werde. Statt gleich auf die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus, S-Bahn und Regionalbahn zu verweisen, würden Zugreisende oder Park-and-Ride-Kunden mit dem Pkw bis zur Papestraße gelockt.

Mit der geplanten Dresdner Bahn entsteht schließlich für das Land ein teures Projekt, da Berlin sich – statt der Bahn AG – ohne Not zur Finanzierung eines Bahntunnels verpflichtet hat. Zugleich ist es fragwürdig, ob der auf dieser Bahntrasse einmal vorgesehene Flughafen-Shuttle von Papestraße nach Schönefeld überhaupt kosten- und zeitsparend fährt. Verkehrsexperten sehen die Route über die Ringbahn noch immer als Alternative. Denn auf „zwei Minuten“, so Viel-Jetter Michael Cramer, komme es beim Fliegen nicht an.