Chef verlässt sinkendes Schiff

Präsident Reenald Koch geht beim FC St. Pauli und hinterlässt ihn in schwierigen Zeiten. Viele seiner Projekte müssen nun von anderen fertig gestellt werden, weil Koch einen richtigen Job gefunden hat

von OKE GÖTTLICH

Das mit dem mittelständischen Unternehmen ist immer noch sein Hauptfaible. Nachdem sich die Wege von Reenald Koch und seinem letzten Arbeitgeber in der Wirtschaft getrennt hatten, musste der FC St. Pauli als Verein das Vakuum füllen. Koch füllte es mit vielen Ideen, die er im Zusammenhang mit einem kleinen, aber ambitionierten Fußballverein immer wieder aus dem Hut zauberte. Das war allerdings bereits nach seiner großen Zeit. Der Zeit in der er Modelle vorstellte, die den kurz-, mittel- und langfristigen Charakter seiner Arbeit vorstellten. Und in der er mit seinen führenden Angestellten und knappen Mitteln die Zeichen der Zeit mit einer nachhaltigen Nachwuchsarbeit und einer dringend erforderlichen infrastrukturellen Verbesserungen des Vereins vorantrieb.

Ohne den erdenden Job in der freien Wirtschaft verlor er nach und nach die nötige Distanz zum tagesaktuellen Geschehen. Übertrieben freute er sich in den Zeiten des Aufstiegserfolges in die Bundesliga („Der Trainer hat einen Freifahrtschein“). Genauso übertrieben reagierte Koch in sportlich schlechteren Zeiten („Die Architekten dieser Mannschaft haben versagt“). Ein Mann der Mitte war er nie. Das ging so lange gut, wie Koch sich nicht von Interessen Einzelner leiten ließ, weil er es als erfolgreicher Geschäftsmann nicht nötig hatte. Anschließend wollte er die Firma St. Pauli nicht nur sanieren, sondern zu einem der „finanziell bestgeführten Vereine der beiden Profiligen“ machen, ein großes wie auch visionäres Stadionprojekt anpacken und auch noch als ehemaliger Kicker einzelne Spiele und Spieler beurteilen. Das musste schiefgehen, weil sich Koch („einer wie Kohler“, Selbsteinschätzung im St. Pauli-Buch von René Martens) in Verhandlungen und Interviews wie ein rabiater Abwehrspieler verhielt.

Der 42-Jährige verlässt den Verein als Präsident zum 31.12.. Er wollte mehr als nur verwalten, wie es zum Beispiel Clubchef Achim Stocker bei seinem immer als Vorbild angesehenen SC Freiburg tut. Vielleicht war er einfach zu jung für einen Posten, der ausdrücklich nicht der eines Geschäftsführers ist. Deswegen sucht er sich diese Herausforderung nun zu Recht bei einem Job in der Wirtschaft. Gut dotiert und fernab von den Medien.

Sein Abgang ist vom Zeitpunkt unglücklich gewählt, aber fair und ehrlich. Eine besondere Größe hätte Koch zeigen können, indem er nicht auch noch in die Wahl des Kontrollgremiums nach seiner Zeit eingegriffen hätte (s. Kasten), aber dazu ist er zu sehr im Business verstrickt. Sein gutes Verhältnis zum Aufsichtsratmitglied Peter Paulick und Vize Christian Pothe hob er noch einmal hervor. Manager Stephan Beutel dankte er nicht.

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