Kommt jetzt die Lehrer-Card?

Hamburger Lehrerverband schlägt Lebensarbeitszeitkonten für Pädagogen vor. Wer mehr arbeitet, geht früher in Rente. Schulfächer erhalten unterschiedliche Bewertung. GEW: Kollegen werden gegeneinander ausgespielt

von KAIJA KUTTER

Im Streit um die Lehrerarbeitszeit prescht der Deutsche Lehrerverband Hamburg (DLH) vor: Alle Lehrer sollen auf der Basis einer 40-Stunden-Woche und 30 Tagen Urlaub ein „Jahresarbeitszeitkonto“ von 1766 Stunden bekommen. Alle über diese Summe hinaus geleisteten Mehrstunden werden über eine Chipkarte auf einem „Lebensarbeitszeitkonto“ gutgeschrieben. „Die Stunden bekommen die Lehrer am Ende je nach Wunsch und Lebensplanung im Block oder als Altersteilzeit zurück“, erklärt DLH-Chef Arno Becker.

In dem Modell plädiert der DLH für eine unterschiedliche Bewertung der Schulfächer. Eine Unterrichtsstunde Deutsch beispielweise als ein Fach, das mit einem höheren Arbeitsaufwand beim Korrigieren von Klausuren verbunden wird, könnte danach mit dem Faktor 1,8 berechnet werden, Sport dagegen nur mit 1,2 oder 1,3. Auch für Klassenlehrertätigkeit und Gremienarbeit soll es einen besonderen Faktor geben. Unterm Strich, so Becker, müsse keine Lehrergruppe mit mehr Unterrichtsstunden rechnen. „Es gibt schließlich kaum Kollegen, die nur Sport oder Kunst unterrichten.“

Aus Protest gegen die Sparpolitik und um deutlich zu machen, wie viel „unsichtbare Arbeit“ im Lehrerjob steckt, hatte der DLH erst im September zum Boykott von Klassenreisen und anderen „freiwilligen Leistungen“ aufgerufen. Man werde dies weiter als Druckmittel benutzen, sagte Becker. „Eine im Modell versteckte Arbeitszeiterhöhung machen wir nicht mit.“ Deshalb müsse auch die Einsparanweisung an die Lehrerarbeitszeitkommission zurück genommen werden (siehe unten).

Das Lebensarbeitszeitmodell sei „bundesweit einmalig“ und biete einem Senator „die Chance, sich zu profilieren“. Nach Vorstellung des DLH bekäme jeder Lehrer eine Mikrochipkarte, auf der die geleisteten Stunden einmal im Jahr verbucht werden. Jede Schule bekäme ein Zeitbudget, das nicht maßlos überzogen werden dürfte. Einen Spielraum gebe es jedoch, da ab 2007 die Schülerzahlen „rapide“ zurückgingen.

Schulsenator Rudolf Lange (FDP), dem der DLH das Modell gestern vorstellte, bezeichnet dies als „hochinteressante Idee“. Allerdings könne er den Ergebnissen der Arbeitszeitkommission nicht vorweggreifen. Laut Becker stößt die Idee auch dort auf Zustimmung. So werde in der Schulbehörde bereits an einer „entsprechenden Software“ gearbeitet.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW lehnt das DLH-Modell entschieden ab. Für GEW-Chefin Stefanie Odenwald besteht die Gefahr, dass die pädagogische Arbeit zu wenig berücksichtigt wird. Auch sei noch viel zu wenig erforscht, welche Belastung die Fächer tatsächlich mit sich bringen. Odenwald: „Jede Lehrergruppe denkt schließlich von sich, dass sie besonders belastet ist.“ Die Konkurrenz in der Lehrerschaft werde so geschürt.