Stochern im Nebel

Trotz Zweifel des Gerichts an ihrer Tatversion bleibt die junge Mutter dabei, ihr Baby totgeschüttelt zu haben

Der eigene Vater hat sie sexuell missbraucht, der Lebensgefährte hat sie verprügelt – und die junge Mutter selbst will ihr sieben Monate altes Baby so heftig malträtiert haben, dass es an einem Schütteltrauma verstarb. Bei der Fortsetzung des Prozesses gegen die 24-jährige Jessica L. ließ der Vorsitzende Richter am Landgericht, Harald Schmacke, gestern durchblicken, dass er Zweifel an der Version der Angeklagten hat.

An die eigentliche Tat konnte sich L. gestern nicht erinnern. Sie wusste lediglich, dass sie an diesem Tag aufgrund von „Geläster“ über sie und ihren Freund „genervt“ gewesen sei: Als Söhnchen Pascal dann abends nicht aufgehört habe zu schreien, „habe ich wohl ein bisschen überreagiert“. Sie wisse nur noch, „dass er irgendwann am Röcheln war.“

Ihre jüngere Schwester will häufiger beobachtet haben, wie der vielfach vorbestrafte Lebensgefährte den kleinen Pascal „am Kragen oder an den Beinen in die Luft gehalten“ und ihn wie einen Ball „über den Tisch zu nem Bekannten rübergeworfen“ habe. „Wer Sie und Ihren Freund hier sieht, der macht sich schon seine Gedanken“, sagte Schmacke zur Angeklagten und fragte sie mehrfach, ob sie den wahren Täter decke. „Ich war es“, antwortete L. stereotyp. Selbst eine Gutachterin, die bei der „völlig unreifen“ Frau eine „Persönlichkeitsstörung in Richtung Borderline“ diagnostizierte, wusste nicht, ob sie der „Meisterin im Verdrängen“ glauben soll: „Ich komme mir vor, als würde ich in eine Nebelwand stochern.“ jox

Der Prozess geht am 15.11. weiter