Heilige verspeist man nicht

Berlin wird Bollywood. Aber Sehnsuchtsreisende, aufgepasst: Bei den Indischen Nächten in der Kulturbrauerei kann es passieren, dass manche heilige Klischee-Kuh doch geschlachtet werden muss

Indische Nächte mit hinduistischer Feuerzeremonie, Sitar-Spielern, klassischen Tänzen, Instrumentalgruppen, DJs, Bollywood-Filmen und Basar heute und Sonntag, jeweils ab 16 Uhr. Kulturbrauerei, Knaackstraße 97. Eintritt 10 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei

Ohmmh. Wir setzen uns – in einem leichten, atmungsaktiven Freizeitanzug – auf den Boden der Natur, schlagen unsere Beine im Schneidersitz übereinander und schließen die Augen. Ohmmmh. Wir konzentrieren uns auf das Nirwana und versuchen den bestialischen Wohlgeruch der Räucherstäbchen zu ignorieren. Im Hintergrund singt Boy George „From Bombay to Bangalore, all the Hindus know the score, if you wanna live some more, hare, hare, hare.“ Wie viele Kalorien verbrennt man in einer Stunde Yoga? Genug für ein Teller-Menü „Indisch-Curry-Huhn-Gemüse-Reis“ inklusive Yogi-Tee? Schielend auf den goldenen Bauch der Buddha-Figur verzichten wir darauf. Genehmigen wir uns lieber eine sanfte Wiedergeburt mit Hilfe unseres Fernost-Kraut-Dealers, im früheren Leben eine Kuh. Wussten Sie übrigens, dass Indien sich mit der größten Milch-Produktion rühmen kann? Heilige verspeist man nicht. Aber anzapfen ist erlaubt. Ohmmh. Öffnen Sie die Augen, folgen Sie Ihrer Eingebung und schweben Sie heute zur Kulturbrauerei. Autsch! Was fliegt, kommt auch wieder runter: Traumbilder platzen, Klischees wirft man in die Tonne. Bei den Indischen Nächten in der Kulturbrauerei zeigt man keine Touristensouvenirs, sondern Eindrücke einer Kultur, die bei einer Milliarde Menschen keine „eine“, sondern eine viel diversifiziertere Kultur ist als allgemein bekannt. Indische Audivisionskünstler, Diashows, Underground-Klänge, Rapper, Bollywood-Filme und, ja, Sie kennen es, Yoga-Gruppen laden Sie ein. Wiedergeburt als Heilige nicht garantiert. KST