Schröder traut sich

Der Kanzler besucht CDU-Gebiet: den Bundesrat. Hier fühlt sich Roland Koch zu Hause – und lässt es Schröder spüren

BERLIN taz ■ Genüsslich zeigt Roland Koch die Zeitungsanzeige in alle Richtungen herum. „Die Rentenbeiträge bleiben stabil“, zitierte der hessische Ministerpräsident während seiner gestrigen Rede im Bundesrat einen Text der rot-grünen Regierung aus dem Bundestagswahlkampf. Die Polemik über das gebrochene Versprechen – inzwischen wollen SPD und Grüne die Beiträge auf 19,5 Prozent erhöhen – führt Koch zu grundsätzlichen Erwägungen. „Bundestreue ist nicht gleichbedeutend mit der Pflicht der Länder, das zu tun, was die Bundesregierung will“, sprach der Ministerpräsident und wandte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder zu, der drei Meter rechts von ihm Platz genommen hatte.

Selten genug beehrt der Kanzler die Länderkammer. Dass es gestern wieder so weit war, hatte einen besonderen Grund. Schröder steckt in einer verflixt schwierigen Lage: In der Finanzpolitik, bei der sozialen Sicherung und auf dem Arbeitsmarkt sind große Kraftanstrengungen notwendig, doch die Unionsmehrheit im Bundesrat kann vieles blockieren. Der Kanzler übte die Verbeugung vor der Macht der Länder, um für die Zustimmung zu seinen Gesetzesvorhaben zu werben.

Damit sein Wunsch nicht allzu simpel daherkam, hob Schröder ihn auf die Metaebene. Er verortete sein aktuelles Interesse in der seit Jahren geführten Debatte um die Neuorganisation der Kompetenzen zwischen Bundes- und Landesebene. Die Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesrat beschrieb der Chef der Exekutive als „kooperativen Föderalismus“, der nicht zuvörderst in „Konfrontation“, sondern in „Integration“ der Interessen von Bund und Ländern bestehen solle. Der Bundesrat, so Schröder, sei „nicht das Gegenstück zum Bundestag“, der diesem auf zentralen Feldern die Gestaltungsfreiheit streitig machen dürfe. Besonders für die Länderkammer habe das Prinzip zu gelten, „erst das Land, dann die Partei“, erklärte der Kanzler.

Theoretisch hatte Roland Koch gar nichts dagegen einzuwenden. Doch nach der Bundestagswahl ist vor der Landtagswahl. In Hessen, wo Koch regiert, wird im Februar 2003 das Landesparlament gewählt. So hat der Ministerpräsident wenig Interesse daran, dass die rot-grüne Regierung mithilfe des Bundesrates allzu viele Erfolge nach Hause bringt. In Anspielung auf Schröders jüngste Regierungserklärung vor dem Bundestag, in der dieser ein Kennedy-Zitat abgewandelt hatte, hielt Koch ihm einen Ausspruch des US-Präsidenten Abraham Lincoln entgegen: „Man kann nicht alle Leute alle Zeit zum Narren halten“.

HANNES KOCH