Ein logisches Problem – der Weg zum Krieg

Die UN-Inspekteure sollen im Irak einen negativen Beweis führen. Der lässt sich immer in Frage stellen – wenn er politisch nicht genehm ist

BERLIN taz ■ Lange haben Chefinspekteur Hans Blix und seine Mitarbeiter auf diesen Moment gewartet. Jetzt sieht es so aus, als könnten die Teams der United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission (Unmovic) und der für die Kontrolle des irakischen Atomprogramms verantwortlichen „Action Teams“ der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) sehr schnell mit den Inspektionen im Irak beginnen.

Die Inspekteure dürften ihrer Mission mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Nach Ansicht des Inspektionsexperten Wilhelm Gmelin sind sie mit einem „logischen Problem“ konfrontiert. Um die Abwesenheit der untersagten Waffenprogramme im Irak zu belegen, versuchen die Inspekteure einen „negativen Beweis“ zu führen, so Gmelin. Dazu aber „müsste man theoretisch die gesamte Menge abkämmen“. Gmelin muss es wissen: Fast zwei Jahrzehnte lang war er als Safeguards-Direktor der Atombehörde Euratom verantwortlich für die politisch sehr viel unproblematischere Überwachung von spaltbarem Material in den Atomanlagen der EU-Mitgliedsstaaten. Auf die Inspektionen im Irak bezogen, bedeutet ein „negativer Beweis“: Jeder Quadratmeter des Landes müsste untersucht werden. Eine unmögliche Aufgabe, selbst mit dem Einsatz von Aufklärungsflugzeugen und den oft überschätzten Satellitenaufnahmen.

Zu gewinnen gibt es für die Unmovic-Inspektoren im Irak deshalb praktisch nichts: Sollten die Teams vor Ort Anzeichen für laufende Programme zur Produktion von Chemie- und Biowaffen oder gar Aktivitäten zur Entwicklung einer Atombombe finden, könnte die US-Regierung dies zum Anlass nehmen, mit einem Angriff zu beginnen. Der Job der Inspektoren bestünde dann nur noch darin, das Land so schnell wie möglich zu verlassen, um den Bombardements zu entgehen.

Finden die Team nichts, werden sie aus Washington wohl den Vorwurf hören, sie hätten nicht gründlich genug gesucht. Schließlich haben sowohl Präsident George W. Bush als auch der britische Premierminister Tony Blair schon vorsorglich dokumentieren lassen, wie der Irak zwischen 1991 und 1998 den Unmovic-Vorläufer Unscom mehrfach getäuscht und behindert hat. Sollten die Inspekteure auf keine Hinweise für Waffenprogramme stoßen, so die absehbare Argumentation aus Washington und London, wäre dies schlicht ein Beleg für die geschickten Vertuschungstechniken des Irak.

Weil eine absolute Kontrolle unmöglich ist, müsste der Sicherheitsrat genauer definieren, welche Aktivitäten des Irak in jedem Fall kontrolliert und verhindert werden sollen und welche notfalls toleriert werden können.

Da solch differenzierte Kriterien fehlen, wird es stets Streit über Erfolg oder Misserfolg der Waffeninspektionen geben. „Man kann die Sache immer so auslegen, dass das Ergebnis nicht zufrieden stellend ist, wenn man an einem Scheitern interessiert ist“, meint Oliver Meier vom Berliner Büro der renommierten US-amerikanischen „Arms Control Association“, die gerade eine eigene Bilanz der Irak-Inspektionen vorgelegt hat. „Schwierig wird es für die Inspekteure, wenn man nichts findet“, meint auch Überwachungssexperte Gmelin, „weil man diejenigen nicht so einfach wiederlegen kann, die sagen, er hat doch etwas.“

Einer, der zu diesem Schluss kommen könnte, meldete schon vorab seine Bedenken gegen die Beweiskraft der UN-Kontrollen an. „Inspektionen sind für eine Situation geschaffen, in der ein Land kooperativ sein will“, sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schon Ende Oktober in Washington. Inspektionen, so der Pentagon-Chef in weiser Voraussicht, „sind nichts für eine feindselige Situation“. ERIC CHAUVISTRÉ