Freie Bahn für Bush

Der Sicherheitsrat verabschiedete gestern eine Irak-Resolution, die im Wesentlichen den Forderungen der USA nachkommt

aus Washington BERND PICKERT

Acht Wochen dauerte das diplomatische Tauziehen um eine Irak-Resolution in der UNO – dann zeigten sich plötzlich alle 15 Sicherheitsratsmitglieder zufrieden. Frankreich und Russland hatten lange Bedenken gegen den von den USA und Großbritannien vorgelegten Entwurf geäußert. Jetzt gab Jacques Chirac zu verstehen, nach einigen minimalen Änderungen im Text seien sie ausgeräumt. Auch Russland gab seinen Widerstand auf, sodass am Ende sogar China und Syrien sich nicht einmal zu enthalten wagten, sondern auch zustimmten.

Noch am Donnerstagnachmittag wurden zwei Sätze umformuliert: An einer Stelle wurde ein „oder“ durch ein „und“ ersetzt. Und sah Punkt 12 nach dem Entwurf der USA und Großbritanniens vor, der Sicherheitsrat solle im Falle eines Verstoßes des Irak gegen die Resolution aktiv werden, um internationalen Frieden und Sicherheit „wiederherzustellen“, spricht die Resolution stattdessen jetzt von „sichern“. Offenbar ermöglichte es diese Änderung Russland und Frankreich, zurückzustecken. Die Resolution sehe keine automatische Anwendung von militärischer Gewalt mehr vor, sagte Russlands stellvertretender Außenminister Juri Fedotow.

Ob das so stimmt, ist zweifelhaft. Politische Kommentatoren in Washington gehen allesamt davon aus, dass der Sicherheitsrat dem Präsidenten George W. Bush im Prinzip den Weg für eine Militäraktion frei geräumt hat. Bush sprach von einer „historischen“ Entscheidung. Die Vereinten Nationen hätten Verantwortungsbewusstsein und Einigkeit gezeigt. Eines sei nunmehr klar, so Busch: „Der Irak wird abrüsten. Die einzige Frage, die dem irakischen Regime noch zur Entscheidung bleibt, ist das Wie.“

Am militärischen Zeitplan, der von einem Angriff bis spätestens März nächsten Jahres ausgeht, hat sich durch den Kompromiss im Sicherheitsrat jedenfalls nichts geändert. Auch wenn in der Resolution tatsächlich nicht mehr militärische Gewalt angedroht wird, lässt sie den USA doch ausreichend Hintertüren offen, um auch ohne neues UN-Mandat in den Krieg zu ziehen. Doch die Resolution spricht nicht mehr davon, dass bei Verstößen des Irak gegen die strengen Bestimmungen des neuen Inspektionsregimes sofort Gewalt angewandt würde; vielmehr hält sie fest, dass in diesem Fall der Sicherheitsrat sofort zusammentreten soll. Insbesondere dieser Punkt entspricht dem Wunsch Frankreichs, das sich einem Automatismus widersetzt und vielmehr einen Prozess in zwei Schritten gefordert hatte.

Allerdings lässt die Resolution den USA eine gewaltige Möglichkeit offen, die Dynamik stark zu beschleunigen: Sie verpflichtet den Irak, binnen 30 Tagen in einer Deklaration alles offen zu legen, was mit seinen Waffenprogrammen zu tun hat – und auch alles, was damit nichts zu tun hat, aber womöglich damit zu tun haben könnte. Falsche Angaben oder Auslassungen sollen der Resolution zufolge sofort den Sicherheitsrat erneut auf den Plan rufen, der dann nach dem Willen der USA die Kriegsmaschinerie in Gang setzt.

Nicht nur dass die Vorschrift ohnehin fast unmöglich zu erfüllen ist. Gerade in diesem Punkt delegiert die Resolution auch die Verantwortung dafür, falsche Angaben oder Auslassungen festzustellen, nicht an die Waffeninspekteure oder die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), sondern lässt die Frage offen – ein Einfallstor für die USA, Abweichungen der irakischen Angaben von US-Geheimdiensterkenntnissen als Verstoß des Iraks gegen die Resolution auszulegen und dem Sicherheitsrat entsprechenden Bericht zu erstatten.

Es scheint, als ob die Zustimmung Frankreichs und Russlands zu dieser Resolution doch mehr mit dem Druck der USA als mit dem Text der Resolution zu tun hat. Die US-Regierung, durch die Zwischenwahlen in den USA gerade gestärkt, hatte in den vergangenen Wochen deutlich gemacht, dass sie eine weitere Verzögerung nicht mehr hinnehmen werde. Auch hatten US-Diplomaten intensiv mit den nichtständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates gearbeitet, um gegebenenfalls eine Mehrheitsentscheidung zu erzielen, in der Erwartung, dass Frankreich, Russland oder China diese nicht per Veto gestoppt hätten. In diesem Fall hätten Frankreich und Russland die Initiative, die sie in den letzten Wochen übernommen hatten, verloren. Die Handlungsfähigkeit des Rates wog jetzt offenbar schwerer als die Bedenken gegen die Resolution.