Mit einer Gartenschere auf die Bild

Empörung wegen „sexistischer“ Werbeaktion der Boulevard-Zeitung: Plakate werden überklebt, Senatorin Röpke fordert den Springer-Verlag auf, die Kampagne zu beenden. Und die CDU sagt: Besser nicht drüber reden

„Ich mag es gern härter. Im Kampf gegen Sexismus“, plakatiert die SAV

„Das sieht man doch, das ist ’ne Nutte“, sagte ein Neunjähriger auf die Frage seiner Mutter, was er sich denn bei dem Plakat der Bild-Zeitung an der Straßenbahn denke. Andere denken nicht mehr, sie handeln. Die Bremer Sozialistische Alternative (SAV) überklebt derzeit die drall-dreisten Nackedei-Poster aus dem Hause Springer mit neuen Sprüchen. Aus „Ich mag es gern sanft. Hinterher“ machte die SAV „Ich mag es gern härter. Im Kampf gegen Sexismus“.

Bundesweit „bewirbt“ Bild darauf ihre „Bettkästchen-Serie“ – auf zwei Meter hohen Plakaten mit halbnackten Frauen und frivolen Sprüchen. In Bremen kleben allein 500 Plakate, die in der Stadt eine Welle der Empörung ausgelöst haben. „Bei uns laufen die Telefone heiß“, erzählt Brigitte Melinkat von der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF). Frauen, aber auch viele Männer beschwerten sich über die Aktion. Die ZGF rate ihnen, sich direkt an die Bild zu wenden. Das Boulevard-Blatt versucht mit der Aktion derzeit, die Auflagenkrise zu bewältigen. „Sex sells.“ Allerdings ist die Kampagne auch vielen Redakteuren peinlich – natürlich will keiner zitiert werden. Aus der Bremer Redaktion heißt es nur: „Kein Kommentar“.

Frauen- und Jugendsenatorin Karin Röpke (SPD) und die Gleichstellungsbeauftragte Ulrike Hauffe haben die Bild inzwischen aufgefordert, ihre Werbeplakate an den Bus- und Bahnhaltestellen „so schnell wie möglich zu entfernen“. Es sei „nicht hinzunehmen, dass Frauen auf diesen Plakaten in entwürdigender Form dargestellt und die Botschaft verkündet wird, sie seien sexhungrige Dummerchen und für Männer allzeit verfügbar“, sind sich Senatorin und Frauenbeauftragte einig. Die „Grenze des guten Geschmacks“ sei „überschritten“. Wenn die Bild im redaktionellen Teil ihres Blatts eine solche Serie veröffentliche, sei dies eine Sache zwischen der Zeitung und den LeserInnen, die entscheiden, ob sie die Zeitung kauften oder nicht, betonen Röpke und Hauffe. Eine andere Sache sei es jedoch, im öffentlichen Raum mit den Plakaten konfrontiert zu werden.

„Auch wir sind wegen vieler Beschwerden tätig geworden“, sagt Volker Nickel, Sprecher des Deutschen Werberates in Bonn. Der Werberat ist ein Gremium zur Selbstkontrolle der Branche. Der Springer-Verlag habe auf ein Schreiben des Rates geantwortet, die Aktion bis zum 11. November fortzusetzen. „Sie sagten nicht, wir hören mit der Werbung auf, sondern die Werbung hört eines Tages auf“, ärgert sich Nickel, der in der Kampagne eine „absolute Ausnahme“ sieht. Demnächst werde der Werberat entscheiden, ob er eine Rüge ausspricht. Nach einem Rüffel des Gremiums hatte der Media Markt Ende vergangenen Jahres Plakate abgehängt, auf denen eine knieende Frau mit drei Brüsten zu sehen war.

Auch bei Bürgermeister Henning Scherf (SPD) gab es Beschwerden. „Ich kann die Leute verstehen, die sagen, das ist frauenfeindlich“, betont sein Sprecher Klaus Schloesser. Aber dennoch sei „die Politik nicht oberster Geschmackswächter“. Die Plakate seien nicht pornographisch, nicht volksverhetzend und diskriminierten keine Minderheiten – also rechtlich wohl kaum anzufechten. Kurzum: Die Diskussion über solche Plakate sei gut, ein Verbot nicht machbar.

Das sieht auch die ZGF so – und bedauert. „Man könnte der BSAG die Auflage machen, keine sexistischen Plakate mehr an ihre Haltestellen zu kleben“, meint Melinkat allerdings.

SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen findet die Aktion bezeichnend: „Es passt, mit angeblichen ‚Bettkästchen-Geschichten‘ spärlich bekleideter junger Frauen für eine Zeitung zu werben, auf deren hinteren Seiten die Zuhälter Tag für Tag ihre »Ware« in Kleinanzeigen feil bieten. Dass dies mit Großbildplakaten an bremischen Straßenbahnhaltestellen geschieht, fördert ein reduziertes Frauenbild, das leider viele immer noch im Kopf haben.“

Dafür, die ganze Sache einfach totzuschweigen, plädiert indes sein CDU-Kollege Jens Eckhoff: „Wenn man drüber redet, schenkt man der Kampagne noch mehr Aufmerksamkeit. Ich finde die Aktion auch frauenfeindlich. Aber den Aufruhr haben die doch einkalkuliert.“

Kai Schöneberg