ein unglück kommt selten allein von RALF SOTSCHECK
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Es gebe Glückspilze und Pechvögel, sinnierte Donald Duck, als er wieder mal mit der Zunge in den Rührfix geraten war. Verglichen mit dem britischen Abgeordneten William Huskisson ist der Entenhausener Erpel geradezu ein Glückspilz.

Huskisson, ein liberaler Tory, war Unterhausabgeordneter, er war bekannt für seine Reibeisenstimme. Die hatte er aber erst seit einer schweren Luftröhrenentzündung, und das ist ziemlich genau 175 Jahre her. Damals war der wohlerzogene Politiker 57 Jahre alt, und viel älter ist er auch nicht geworden. Schon als Kind war Huskisson wegen Lungenentzündungen häufig bettlägerig. Als er einmal aufstehen wollte, um seine Schularbeiten zu machen, brach er sich den Arm. Kurz vor seiner Hochzeit fiel sein Pferd auf ihn. Dann erschlug ihn beinahe die Kutschstange an der Londoner Pferdewache. Auch im Urlaub hatte er Pech: Als er den Herzog von Athol auf dessen Schloss in Schottland besuchte, sprang Huskisson, dem seine Unfallträchtigkeit bis dahin offenbar entgangen war, übermütig über den Burggraben, brach sich den Knöchel, und im Fuss rissen einige Bänder. Fortan watschelte er ein wenig wie der Kollege aus Entenhausen.

Kaum war er genesen, fiel er vom Pferd und brach sich den Arm. Kurz darauf fiel er aus einer Kutsche und brach sich den anderen Arm. Dann kam die Sache mit der Luftröhrenentzündung. Man schickte ihn zur Kur nach Frankreich, doch gleich nach seiner Ankunft in Calais stolperte er über ein Kabel und zerschnitt sich das Bein.

Das alles hielt ihn nicht davon ab, im Unterhaus seine Vision voranzutreiben: die Eisenbahn. Am 15. September 1830 war es so weit: Der erste Passagierzug wurde auf der Strecke zwischen Liverpool und Manchester eingeweiht. Selbstverständlich ließ Huskisson es sich nicht nehmen, bei der Jungfernfahrt dabei zu sein. Selbstverständlich hatten ihm die Ärzte davon abgeraten, weil er an einer schweren Nieren- und Blasenentzündung litt und unters Messer sollte. Huskisson saß im ersten Waggon, insgesamt fuhren an jenem Tag acht Züge auf parallelen Gleisen in Richtung Manchester. Die erste Hälfte der gut 50 Kilometer langen Reise verlief reibungslos, Hunderttausende jubelten den Dampflokomotiven zu. Dann wurde eine Pause eingelegt.

Huskisson wollte die Gelegenheit nutzen, sich mit dem Premierminister, dem Herzog von Wellington, auszusöhnen. Er hatte sich mit ihm über die Parlamentsreform zerstritten. So lief er einige Schritte zurück zu einem hinteren Waggon und schüttelte Wellingtons Hand, als der nächste Zug auf dem Parallelgleis einfuhr. Alle Passagiere brachten sich in Sicherheit, nur Huskisson geriet in Panik und versuchte, in das Abteil des Premiers zu krabbeln. Dabei hielt er sich an der Tür des Waggons fest. Als der zweite Zug einrollte, öffnete sich die Tür. Huskisson schwang genau vor die Lokomotive. Neun Stunden später war er tot.

Ein passendes Ende für den Unglücksraben. Veranstaltet die britische Bahngesellschaft zum Gedenken an ihn alle Jahre wieder ein großes Eisenbahnunglück mit Todesfolge?