Ein Netzwerk Ost für Jugendarbeit

Mit dem Bundesprogramm Civitas im Hintergrund versuchen Jugend- und Bildungsprojekte Toleranz und Demokratie in Berlin und den neuen Bundesländern zu stärken, statt Aufklärung im rechtsradikalen Milieu zu betreiben und auf Einsicht zu hoffen

von CHRISTINE BERGER

Daniel ist heute gut drauf. Sein Jugendzentrum im Bezirk Treptow-Köpenick hat zum BMX-Contest aufgerufen, da fährt die Crème de la crème über die neue Halfpipe. Und da ist auch Robert, der Weltmeister im BMX, der sogar einen Salto mit dem kleinen, kinderfahrradähnlichen Bike schafft. Daniel schaut diesmal nur zu, „weil so gut drauf bin ich da noch nicht“. Aber im nächsten Jahr, da will er vielleicht mitmachen. Wenn er dann noch Zeit hat, denn im Moment ist Daniel arbeitslos, „und man weiß ja nie, was sich die Ämter alles einfallen lassen“.

Dass Daniel mit seinen 23 Jahren noch immer das Jugendzentrum Arena aufsucht, hat vor allem mit dem Sportangebot zu tun. Nicht nur Billardtische stehen da, sondern es gibt auch einen Fitnessraum, eine Turnhalle und sogar Tennisplätze. Seit neustem ist in dem Sportclub auch eine von fünf Berliner Netzwerkstellen gegen rechts, finanziert aus dem Bundesprogramm Civitas (siehe Kasten), untergebracht. „Die Netzwerkstelle betreibt Vernetzungen des zivilgesellschaftlichen Engagements und ist Anlaufpunkt für Jugendliche“, steht auf einem Flyer, der vor dem Jugendzentrum auf dem Schotterboden liegt. Daniel hat davon noch nichts gehört, aber eigentlich ist es ihm auch egal. „Gegen rechts ist immer gut“, sagt er und macht ein Victory-Zeichen.

Für den Netzwerker Jürgen Feigl vom „Verein für Sport und Jugendsozialarbeit e. V.“ ist es gar nicht so wichtig, dass die Kids wissen, was die Netzwerkstelle soll. „Wir wenden uns vor allem an Multiplikatoren und die Kommune“, so der 43-jährige Pädagoge. Seit den Sommerferien ist er dabei, Kontakte zwischen den einzelnen Trägern der Jugendarbeit in Treptow-Köpenick und den angrenzenden Bezirken zu knüpfen. Geplant sind gemeinsame Jugendfeste, Sportaktionen und das Schaffen einer Alternativkultur jenseits der rechtsradikalen Jugendszene. „Sport ist ein gutes Mittel, um mit den Jugendlichen Kontakt zu halten“, weiß Feigl. Zur Arbeit der Netzwerker gehört es jedoch auch, über Symbole rechtsradikaler Organisationen Bescheid zu wissen und rechtzeitig einzuschreiten, wenn im Jugendzentrum plötzlich braune Sprüche geklopft werden.

Statt Aufklärung im rechtsradikalen Milieu zu betreiben und auf Einsicht zu hoffen, wird lieber versucht, diejenigen zu stärken, die für Toleranz und Demokratie eintreten. Zum Beispiel in Eberswalde, der Stadt, in der der Schwarzafrikaner Amadeu Antonio kurz nach der Wende totgeprügelt wurde und die in den 90er-Jahren als rechtsradikale Hochburg galt. Seit Jahren kümmert sich dort ein Bündnis aus Vereinen, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung darum, das braune Gedankengut in der Stadt einzudämmen. „Netzwerk“ heißt auch hier das Zauberwort. Mit Hilfe von Civitas, aber auch von anderen öffentlichen und privaten Geldern finden Projektwochen an Schulen statt, werden Feste zusammen mit Migrantengruppen organisiert und Opfer rechter Gewalt unterstützt. „Früher wäre man als Linksextremist verurteilt worden, wenn man sich für Ausländer eingesetzt hätte“, beschreibt der Pädagoge Kai Jahns das Klima in der Vergangenheit. Heute sähen Lehrer und auch Unternehmer Handlungsbedarf und seien für die Projektideen seines Vereins „Zentrum für demokratische Kultur“ aufgeschlossener.

In Theaterstücken sowie angewandter Sozialarbeit lernen Eberswalder Schüler, was es heißt, tolerant zu sein und etwas für andere zu tun. „Eine Gruppe Gymnasiasten hat zum Beispiel das Milieu sozial benachteiligter Kinder erkundet und dann überlegt, wie man diese unterstützen kann“, so Jahns. Entstanden ist das Projekt „Abenteuerlandschaft“, eine Art Spielplatz, der Anlaufstelle für Kinder sein soll.

Dass die 10 Millionen Euro, die das Civitas-Programm derzeit jährlich bereithält, einmal nicht mehr fließen weren, ist für Jahns und seine Mitstreiter ebenfalls Anlass für ein Projekt: „Wir überlegen gerade zusammen mit Jugendlichen, wie man eine Bürgerstiftung schaffen könnte, die Bürgerengagement fördert und dafür Gelder akquiriert.“ Die werden in jedem Fall fließen müssen, ist der 34-Jährige fest überzeugt. „Denn Engagement brauchen wir nicht nur gegen rechts, sondern für das Gemeinwesen insgesamt.“ Sonst schiebt bald nicht mal mehr jemand seine eigene Oma durch den Park.