Der Countdown läuft

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Der Zeitplan steht und ist eng: Bis 21. Februar 2003 müssen die UN-Waffeninspektoren dem UN-Sicherheitsrat ihren Irak-Bericht vorlegen. Spätestens dann stellt sich die Frage: Hat der Irak – wie verlangt – uneingeschränkt mit den UN-Beauftragten kooperiert, hat er seine Abrüstungspflichten erfüllt? Oder kommen die USA – und gar der Sicherheitsrat – zu dem Ergebnis, Saddam habe diese „letzte Möglichkeit“ nicht wahrgenommen? Dann steht Krieg unmittelbar bevor.

Denn der Zeitplan für die Waffeninspektionen ist zugleich der Zeitplan des US-Aufmarsches in der Region, der sowohl Drohkulisse wie wirksames Kriegsinstrument ist. Einen Operationsplan gegen den Irak hat Präsident Bush, so berichtet die New York Times, bereits in den letzten Wochen abgesegnet.

Er sehe, so die Zeitung, zunächst Luftangriffe vor, die allerdings kürzer als beim letzten Golfkrieg sein werden und sich mit einer massiven Bodenoffensive überschneiden könnten. Diese habe das Ziel, rasch innerhalb des Irak Basen zu errichten, von denen aus die Streitkräfte weiter vorgehen könnten. Frühzeitig würden Spezialkommandos ähnlich wie in Afghanistan hinter den feindlichen Linien eingesetzt. Sie sollten beispielsweise die Überflutung der Sümpfe im Südirak oder das Abfackeln der Ölfelder durch Saddam verhindern. Insgesamt sollten während der gesamten Operation zu Land, zu Wasser und in der Luft 200.000 bis 250.000 Mann eingesetzt werden. Massive Zerstörungen sollten möglichst vermieden werden, da das Land von den USA schnell in eine „befreite Nation“ mit wirtschaftlichen Aufbau- und demokratischen Erziehungsmaßnahmen verwandelt werden solle.

Derzeit stehen allein am Golf, so schätzen Militärspezialisten, bereits 40- bis 50.000 US-Soldaten zum Einsatz bereit. Und es werden immer mehr. Am 2. November machte sich der Flugzeugträger USS Constellation mit 8.000 Seeleuten und Soldaten, 72 Kriegsflugzeugen und 7 auch mit Cruise Missiles ausgerüsteten Begleitschiffen von der kalifornischen Küste auf den Weg in die Golfgewässer. Ein anderer Flugzeugträgerverband, die USS Harry Truman mit seiner 15.000-köpfigen Besatzung, befindet sich derzeit noch in kalifornischen Gewässern bei einem Manöver, bei dem die Invasion im Irak nachempfunden werden soll. Der Verband führt auch das 26. Marine Expedition Corps mit sich, das nach unbestätigten Angaben für diese Invasion vorgesehen ist. Nach den Übungen wird auch dieser Verband Richtung Golf ziehen, wo er bis Ende Dezember eintreffen soll.

Warten auf Bushs Befehl

Erwartet werden diese Verbände dort von den Flugzeugträgern USS Abraham Lincoln und USS George Washington, die offiziell „abgelöst“ werden sollen. Ausländische Diplomaten in Bagdad sprechen offen davon, dass das Zusammentreffen der vier Flugzeugträgerverbände der Zeitpunkt sei, an dem sie ihre Evakuierungspläne aus der Schublade holen. US-Vize-Admiral Timothy Keating, Kommandeur der 5. Flotte, die für den Golf zuständig ist, formulierte es gegenüber der New York Times so: „Man kann natürlich von einer Routine-Rotation sprechen; wenn man es einfach mathematisch ausrechnet, kann man aber auch sagen, dass dann vier Flugzeugträger-Kampfverbände zum Einsatz bereitstehen. Alles hängt davon ab, welche Befehle wir vom Präsidenten erhalten.“

Doch nicht nur die mächtigen Flugzeugträger, Washingtons imposanteste Angriffswaffen, machen sich auf den Weg in den Golf. Die größten Frachter der US-Navy sind ebenfalls im Einsatz. Das 2.200 Mann starke 24. Marine Expedition Corps hat beispielsweise zusammen mit zwei Schwadronen von Apache-Kampfhubschraubern letzte Wochen den ägyptischen Suezkanal in Richtung Golf durchquert.

Mehrere amerikanische B-2-Stealth-Bomber werden demnächst nach Diego Garcia, einer britischen Garnisonsinsel im Indischen Ozean, verlegt. Im Moment werden dort spezielle Hangars für die futuristisch aussehenden Maschinen gebaut, deren Außenhaut besonders empfindlich ist. Der ganze Stolz der US-Luftwaffe, Stückpreis stolze 2 Milliarden Dollar, ist zwar von einem feindlichen Radar nicht zu entdecken, dafür aber relativ langsam. Die B-2-Bomber werden wahrscheinlich eingesetzt, um zunächst die irakische Luftabwehr auszuschalten. Wie es einer der Piloten mit dem Codenamen „Pita“ gegenüber der britischen BBC fasste: „Wir sind diejenigen, die zunächst die Tür einrennen.“

Inzwischen wurde ein Viertel des Staatsgebiets von Kuwait zu einer geschlossenen Militärzone deklariert und abgesperrt. Mehr als 9.000 US-Soldaten sollen sich inzwischen in dem kleinen Emirat direkt an der irakischen Grenze befinden, das Zehnfache der nach dem letzten Golfkrieg permanent dort stationierten US-Truppen. Still und leise, so wird vermutet, werden auch US-Luftlandeeinheiten aus Afghanistan nach Kuwait verlagert. In den Manövern „Eager Mace“ und „Internal Look“ wird dort derzeit die Invasion geprobt. Auf dem Programm stehen amphibische Landungen und etwas, das das Pentagon als „Militäroperationen in städtischem Terrain“ bezeichnet.

Der Straßenkampf in Bagdad wird bereits in besonderen Trainingszentren in den USA simuliert, wie Hauptmann Glenn Kozelka von der 10. Mountain Division in Louisiana vor kurzem der Washington Post verriet. Noch vor sieben Monaten hatten Kozelkas Männer Al-Qaida- und Taliban-Kämpfer in Afghanistan gejagt.

Kommando in Katar

Der geplante Irakfeldzug wird am Ende vor allem in der neuen US-Luftwaffenbasis Al-Udaid im Golfemirat Katar koordiniert werden, vorgeschobene Kommandozentrale des US-Central Command. Die ist eigentlich unter Befehl von General Tommy Franks, der auch den Afghanistan-Einsatz leitete, in Tampa, Florida, angesiedelt. Es sind aber bereits mehrere Vorabkommandos aus Florida in Katar eingetroffen. Im Dezember sollen weitere 600 Koordinatoren aus den USA kommen. Offiziell, wie es noch heißt, zu einer Übung.

Viel sagend sind auch die ganz persönlichen Probleme des Militärpersonals. In der US-Tageszeitung Christian Science Monitor beschrieb vor einer Woche der US-Army-Sozialarbeiter Captain Ronald Whalen den Zustand der 3. Infanteriedivision, die sich derzeit auf den nächsten Golfkrieg in Fort Steward, Colorado, vorbereitet. Die Mitglieder seiner Einheit beklagten sich zunehmend über Eheprobleme, Schlaflosigkeit und viele andere Anzeichen von Stress, die sich unter den Soldaten als Reaktion auf einen bevorstehenden Irakkrieg immer mehr ausbreiten würden. Das Frustrierendste sei, so Whalen, nie genau zu wissen, ob eine Übung oder ein Routineeinsatz am Ende nicht doch in eine aktive Kampfmission übergeht.