Hybride Tanzsprache

Vicky Cortes präsentiert ihr überarbeitetes Solo „Beauty Sleep: Provisional Name“ beim interkulturellen Festival „eigenarten“ auf Kampnagel

Im Traum lässt sie die Puppen tanzen, wünscht sich in den Himmel schillernder Popwelten, aus dem Hubschrauber viel versprechende Pakete herabwerfen. Mogelpackungen, wie sich herausstellt, voller Plastikmüll und einem Tanzpüppchen im Herrenanzug.

Doch so leicht lässt sich die Protagonistin des tragikomischen Tanzspektakels Beauty Sleep: Provisional Name, das jetzt beim interkulturellen Festival eigenarten zu sehen war, ihre Illusionen nicht austreiben und knöpft dem kleinen Mann kurzerhand die Kleider auf. Vom Band trällert Latino-Star Ricky Martin, auf dem Videoschirm flimmern Textzeilen zum Mitsingen über hüftschwingende Blondinen, und das Spielzeugkerlchen wackelt im Lambada- Rhythmus.

An der Oberfläche ist das purer Trash. Doch mit ihrem abgründigen wie auch feinsinnigen Humor zaubert Vicky Cortes daraus ein Tanztheater-Universum voller Poesie und skurriler Ideen. Auf Kampnagel stellte die gebürtige Costa Ricanerin ihr Solo jetzt in überarbeiteter, abendfüllender Fassung vor. Bei Pina Bausch und Susanne Linke hat die sie früher getanzt. Und sie gewinnt dem Genre Tanztheater in ihrer ersten Hamburger, von Kampnagel koproduzierten Arbeit ganz eigene Bewegungsbilder ab. Mit sprödem Witz und minimalistischem Einsatz gelingt es ihr, tief anzurühren.

Es ist die Mischung aus kindlicher Naivität und Durchtriebenheit, mit der sie im rosa Häkelkleid, die Blondhaarperücke wie einen Helm auf den Kopf gestülpt, in stoischer Manier Illusionen von Schönheit und großen Gefühlen entlarvt, ohne sie zu verraten. Mechanisch schiebt sie auf Rollschuhen ein Bein vor das andere. Jede Faser ihres Körpers scheint sich gegen jedweden harmonisch leichtfüßigen Tanz zu sperren. Nervös flattern ihre Hände, schlackern ihre Arme in überlangen Pulloverärmeln. In harten Brüchen entwickelt Cortes präzise und überzeugend choreografische Stringenz. Kulturelle Kreuzungen bringen derzeit im zeitgenössischen Tanz interessante Formen hervor. Das Festival eigenarten entwickelt sich zu Hamburgs spannendem Experimentierfeld für hybride Tanzsprachen. MARGA WOLFF