: Tanz in der Donnerkuppel
„herz.kammern“: Urs Dietrich zeigte sein Solo erstmals in Deutschland. Zu sehen: Variantenreiche Bewegungsabläufe auf hohem Niveau. Dem allzu nordischen Ambiente des „Himmelssaals“ konnte er sich indes nicht entziehen
Das Einzige, was in Urs Dietrichs Tanzsolo „herz.kammern“ nicht symmetrisch daherkommt, ist Urs Dietrichs Körper. Der liegt, wenn alle noch miteinander sprechen, schon da. Bewegungslos auf dem Parkett, inmitten eines weißen Quadrats. Den Raum, den dieses Quadrat in den „Himmelssaal“ des Atlantishauses skizziert, wird Dietrichs Körper während der kommenden gut zwanzig Minuten nicht verlassen.
Ein weißes Quadrat, weiße Unterwäsche, ein Körper. Sonst nichts. Langsam beginnt eine Musik zu wabern. Ein Stück von Paul Giger. Die Musik ist dunkel, bewegt sich nur langsam fort. In die relative Stille hinein beginnt der eine Körper sich anzuspannen, fast zu verkrampfen. Das weiße Quadrat, darin die sanfte Drehung des noch liegenden Körpers.
„herz.kammern“ gehört zu jenen Choreografien von Dietrich, die zunächst nur abstrakt sind. Kein gestalteter Raum, auf dessen Atmosphäre die Bewegungen unmittelbar zu beziehen wäre, auch kein Thema (wie in „Flut“, seinem letzte Solo), dem sich die Choreografie in immer wieder neuen Variationen nähern würde. Nur ein leerer Raum.
Aber was für einer. In diesen Saal in der Böttcherstraße kommt man sonst nicht so leicht rein rein – muss man allerdings auch nicht. Architektonisch, handwerklich er recht spannend sein. Ansonsten aber kann er einem leicht zu „nordisch“ werden. Angedeuteter Bombast, Anklänge von Walhalla. Dietrich macht vielleicht zu wenig mit diesem Raum, der anders ist als ein leerer Theaterraum mit schwarzem Hintergrund.
Was bricht sich da, in den Bildern des sich bewegenden, kadrierten Körpers? Was leuchtet auf in seinem eng anliegend weiß gewandeten Körper, im Schaukeln, im Pendeln zwischen Starre und Aktion? Finger gleiten an Hals, Brust und Bein entlang, bis zu den Fußspitzen. Sie scheinen sich vom Rest zu entfernen, bis der Rest hinterher muss, um der Hand nicht verlustig zu gehen.
Die variantenreichen, auf hohem tänzerischen Niveau dargebotenen Bewegungsabläufe in „herz.kammern“ bleiben seltsam leer. Als hätten sie dem germanophilen Ambiente nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Schlussbild: Der Körper aufrecht, die Augen blicken starr, kalt, vielleicht auch ängstlich ins Publikum. Am ausgestreckten Arm pulst leise die Hand. Dunkel. Tim Schomacker
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