Von Finnland lernen
: Das Hoch im Norden

Schule kann schöner sein

Lea Voigt, Schülerin des Kippenberg-Gymnasiums und Sprecherin der GesamtschülerInnenvertretung (GSV) Bremen, war mit der Bildungsdeputation in Finnland. Wir fragten sie nach ihren Eindrücken.taz: Kann Schule richtig schön sein? Habt ihr das in Finnland erlebt?Lea Voigt: Schule kann schöner sein. Es bleibt aber Zwang.

Was ist dort schöner?

Eine andere Atmosphäre. Die meisten Schulen sind räumlich schöner, die Lehrer sind jünger. Es ist viel Platz, eine bessere Stimmung. Es gibt Mittagessen in der Schule. Viele sagen: Ich gehe gern zur Schule.

Auch wegen des Unterrichts?

Klar. Schule bei uns ist immer verknüpft mit viel Frustration, Misserfolg und Leistungsdruck. Und dort gibt es bis zur neunten Klasse in der Gesamtschule keine Angst, dass man sitzen bleibt. Man wird gefördert, wenn Bedarf ist. Und wenn nicht, kann man auch mal in die Fördergruppe gehen.

Wie kommt es, dass finnische SchülerInnen auch ohne Leistungsdruck mehr leisten?

Wer gefördert wird, lernt mehr. Bei Pisa wurde ja nicht gefragt, ob man gut auswendig gelernt hat. Zusammenhänge zu erkennen lernt man besser in einer Atmosphäre, in der es nicht nur um Zensuren geht.

Bremens Gesamtschulen strahlen nicht den Erfolg aus wie die finnischen. Sie leiden unter dem Eindruck, dass die Schwächeren besonders gefördert werden und die Besseren deswegen weniger lernen.

Für eine Gesamtschule ist es schwierig, wenn sie neben anderen Schulformen existieren muss. In Finnland sind die Lerngruppen kleiner, dann können die Lehrkräfte mehr auf „bessere“ Schüler eingehen. In Finnland wird auch gefördert, wer sich unterfordert fühlt.

Kann das Kippenberg-Gymnasium aus Finnland lernen? Die Pisa-Ergebnisse waren ja nicht schlecht.

Das Kippenberg als durchgängiges Gymnasium kann in der Form nichts lernen. Das heißt aber nicht, dass da alles perfekt ist. Bei uns gibt es relativ homogene Lerngruppen, weil da oft Elternhäuser sind, die sich private Nachhilfe leisten können. Das sind andere Voraussetzungen.

Was ist richtig schlecht in Finnland?

Die scharfe Selektion nach der 9. Klasse. Da entscheidet dann der Notendurchschnitt sogar, auf welche gymnasiale Oberstufe man geht.

In Finnland ist also nach der 9. Klasse Schluss mit lustig?

Ich würde das nicht ganz so sehen. Es gibt auch danach mehr Wahlfreiheit und Möglichkeiten der Schwerpunktsetzung. Jedes thematische Projekt ist ein Block von 35 Stunden.

Dann kommt eine Prüfung?

Richtig. Von 35 Stunden dürfen die SchülerInnen sechs fehlen. Man erkennt an, dass Schüler auch nur Menschen sind; manchmal keine Lust haben. Auch das schafft ein anderes Schulklima. Interview: K.W.