BRANDENBURGS V-MANN-AFFÄRE GIBT FÜR DAS NPD-VERFAHREN NICHTS HER
: Das Dilemma des Verfassungsschutzes

Toni S. war kein Einflussagent – er hat die Hass-CD der White Aryan Rebels also nicht deshalb vertrieben, weil ihn der brandenburgische Verfassungsschutz damit beauftragt hat. Somit gibt der gestern am Landgericht Berlin entschiedene Fall nichts her für das Karlsruher NPD-Verbotsverfahren. Der NPD-Vorwurf, der Staat trage über seine V-Leute Gewalt und extremistische Inhalte in die rechte Szene, lässt sich an diesem Beispiel nicht belegen.

Dennoch zeigt der Fall Toni S. deutlich das Dilemma der Verfassungsschutzbehörden. Sie brauchen Spitzel, um Informationen über heimlich arbeitende Szenen zu bekommen. Leute wie Toni S., die bereit sind, gegen Geld zu plaudern, sind da viel wert. Der Verfassungsschutz beharrt auch darauf, dass sich der Einsatz des V-Mannes gelohnt habe – auch wenn niemand genau sagen kann oder will, wie viele Ermittlungsverfahren durch seine Informationen ausgelöst wurden.

Andererseits war Toni S. aber auch Teil der rechtsextremistischen Szene. Damit er nicht auffiel und die Polizei gegen die Vertriebsstrukturen vorgehen konnte, mussten die Verfassungsschützer Toni S. beim Vertrieb der verbotenen Hass-CD gewähren lassen. Und als er die dreifache Menge an CDs vertrieb, die ihm sein V-Mann-Führer genehmigt hatte, wollte niemand davon gewusst haben. Das ist konsequent, denn hätte der Verfassungsschutz von der Missachtung seiner Weisungen erfahren, hätte er die so nüztliche Quelle abschalten müssen.

Das Berliner Landgericht hat also zu Recht die V-Mann-Tätigkeit von Toni S. strafmildernd bewertet. Es liegt in der Natur der Sache, dass V-Männer das Gefühl haben, sie könnten in gewissen Grenzen machen, was sie wollen – solange sie genügend Informationen liefern. Denn letztlich hängt der berufliche Erfolg der V-Mann-Führer nicht davon ab, wie viele Quellen sie aus rechtsstaatlichen Gründen abschalten, sondern wie viele Quellen sie abschöpfen können. Und wer will dem V-Mann-Führer Dirk Bartok nachweisen, dass er doch etwas von der Missachtung seiner Weisungen gewusst hat?

CHRISTIAN RATH