Grüner unter Atomverdacht

NRW-Bauminister Michael Vesper (Grüne) verärgert seine Fraktion und Partei. Für die Stromversorgung der Landesliegenschaften bekommt Atomstrom-Ableger den Zuschlag

BOCHUM taz ■ NRW-Bauminister Michael Vesper (Grüne) gerät in die Schusslinie seiner Partei. Bei der Ausschreibung eines Geschäftes über 140 Millionen Euro zur Stromversorgung der Landeseinrichtungen erhielt die Energie Nordrhein-Westfalen (ENRW) den Zuschlag. Das Unternehmen ist eine 50-prozentige Tochter der Energie Baden-Württemberg (ENBW), die mit 34,5 Prozent vom französischen Atomstromriesen Electricité de France (EdF) beherrscht wird.

„Unmöglich“ findet das Jürgen Schmidt, Sprecher der grünen Landesarbeitsgemeinschaft Energie: „Während sich Menschen gegen den Castor an Schienen ketten, bestellt das grüne Ministerium Energie ohne Ökostrom.“ Auch der Kölner Stadtgrüne Jörg Frank ist empört. Die Ausschreibung sei dilettantisch abgelaufen: „Weiß das Bauministerium nicht, dass die kommunalen Stromversorger gegen die Oligopole der europäischen Stromriesen gestärkt werden müssen?“, fragt das Aufsichtsratsmitglied der Kölner Stadtwerke. Das NRW-Bauministerium wies die Vorwürfe zurück. Stadtwerke hätten die gleichen Chancen gehabt, ENRW habe das beste und günstigste Angebot vorgelegt. Mit dem Abschluss werde im Bundesland keine Megawattstunde Atomstrom mehr verbraucht, schrieb der Minister.

Den Stein ins Rollen brachte die grüne Landtagsfraktion: In einem Brief des parlamentarischen Geschäftsführers Johannes Remmel und des energiepolitischen Sprechers Reiner Priggen wird Minister Vesper dazu aufgefordert, das Verfahren zu überprüfen und „die Möglichkeit einer Neuausschreibung zu berücksichtigen.“ Auch bei einer europaweiten Ausschreibung seien ökologische und soziale Kriterien heranzuziehen. „Es gibt eine ganze Bandbreite zwischen Strom vom billigen Jakob und hundertprozentigem Ökostrom“, sagt Priggen der taz. Die energiepolitischen Ansprüche der Grünen müssten auch in Regierungshandeln einfließen. „Wenn das SPD-regierte Niedersachsen bei seiner Ausschreibung eine Ökostromquote festlegen kann, dann können wir das auch“, fordert Priggen.

Niedersachsen hatte im September die Stromversorgung der Landeseinrichtungen ausgeschrieben. Den Zuschlag im europaweit ausgeschriebenen Verfahren erhielt eine Bietergemeinschaft kommunaler Stromversorger um die Stadtwerke Hannover. Vertraglich festgelegt wurden 24 Prozent des Stroms aus Kraftwärmekopplung und eine 7-Prozent-Quote für regenerative Energien.

Für das NRW-Bauministerium kam eine derartige Quote aus Kostengründen nicht in Frage. Auf Nachfrage der taz erklärt Ministeriumssprecherin Susanne Düwel, dass eine Quote von zehn Prozent Mehrkosten von drei bis vier Millionen Euro bedeutet hätte: „Unsere Endnutzer wie die Hochschulen sind nicht in der Lage, das zu bezahlen“, sagt Düwel.

Unterdessen steht das gesamte Ausschreibungsverfahren unter Vorbehalt. Das Bauministerium hatte den Auftrag in fünf Flächenlose aufgeteilt, viermal ging die ENRW als Sieger aus dem Bietverfahren, einmal obsiegten die Stadtwerke Aachen für das städtische Großklinikum. „Aus meinen Erfahrungen in den Kölner Stadtwerken kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass kommunale Energieträger nicht konkurrenzfähig waren“, sagt Jörg Frank.

Mit der Beteiligung von Electricité de France sei ein europäischer Stromkonzern bevorzugt worden, „wie er strukturkonservativer nicht sein könne.“

CHRISTOPH SCHURIAN