„Besser und praktischer ist es mit Sarg“

Der Bestatter Sadettin Deniz über islamische Bestattungsriten und einen kleinen Paradigmenwechsel:Allmählich wünschen immer weniger türkische Kunden eine Überführung der Toten in die Türkei

taz: Die Regel, dass ein Muslim immer ohne Sarg beerdigt werden muss, scheint nicht sehr streng zu sein – Sie beerdigen auch im Sarg.

Sadettin Deniz: Der Koran sagt nicht, dass der Leichnam ohne Sarg beerdigt werden muss. Er erlaubt auch unter Umständen die Bestattung im Sarg.

In welchen Fällen?

Das gilt etwa in Gegenden der Türkei, wo der Grundwasserspiegel hoch ist: Wenn man dort ein Grab von einem Meter Tiefe gräbt, steht man im Wasser. Da muss man im Sarg beisetzen. Außerdem: Selbst wenn man ohne Sarg beerdigt, muss man auf den Leichnam bei der Beerdigung Holz legen – das gleicht einem Sarg. Aber generell stimmt es schon: Es sollte ohne Sarg sein.

Warum legen Sie Holzlatten auf den Leichnam?

Damit die Erde nicht direkt auf den Körper fällt.

Machen Sie das auch bei Beerdigungen in Deutschland?

Nein. In Hamburg soll es jedoch eine Möglichkeit geben, ohne Sarg beizusetzen.

Ist es Ihnen gleichgültig, ob jemand mit Sarg oder ohne Sarg beerdigt werden will?

Das ist mir gleichgültig. Bei uns achtet man nicht so sehr auf den Sarg. Meine Kunden verwenden nicht so teure Särge. Das interessiert keinen.

Wie teuer sind denn Ihre Särge?

Das ist der normale deutsche Preis. Aber keiner verlangt Eiche – Hauptsache ein Sarg.

Warum ist im Islam keine Feuerbestattung gestattet?

Weil wir von der Erde gekommen sind und wieder zu Erde werden sollen. Auch eine Seebestattung ist nicht erlaubt.

Wie viele Kunden türkischer Herkunft wollen, dass die Särge in die Türkei überführt und dort dann in die Erde gebracht werden?

Ich bin seit fünf Jahren in diesem Geschäft: Früher wollten 99 Prozent der Kunden eine Beerdigung in der Türkei – außer für Babys oder bei Totgeburten. Aber seit zwei, drei Jahren ändert sich das langsam. Jetzt wollen etwa zehn Prozent der Kunden ihre Angehörigen hier beerdigen. Und zwar dann, wenn man hier geboren ist oder die Familien hier weiter leben wollen.

Überführungen in die Türkei sind sehr viel teurer, oder?

Nein, das ist nicht so teuer.

Aber man muss doch einen ganzen Sarg transportieren.

Sicher, aber hier zahlt man eine teure Friedhofsgebühr. Nur in großen Städten zahlt man in der Türkei so eine Gebühr. Die Pflege der Gräber übernehmen in der Türkei die Angehörigen.

Wenn jetzt auch in Berlin der „Sargzwang“ fiele – wäre das für Sie problematisch, weil dann Ihr Umsatz zurückginge?

Ja, das wäre für uns schon ein gewisses Problem, weil die Kunden nicht bedenken, dass wir auch Friedhofsgebühren verlangen müssen. Das wäre auch schlecht für die Sarggroßhändler. Die müssen ihre Särge ja auch verkaufen.

Was finden Sie würdiger: mit oder ohne Sarg?

Besser ist es mit Sarg. Hier ist bei einer Beisetzung mit einem Sarg eine andere Atmosphäre. Zumindest in der Gegend, wo ich herkomme, gehen die Frauen nicht zur Beerdigung. Hier aber gehen alle mit. Außerdem ist es praktischer mit Sarg: Man bringt ihn hin zum Friedhof und kann ihn sofort ins Grab heben.

Wie wollen Sie beerdigt werden: mit oder ohne Sarg?

Wenn der Koran erlaubt, auch mit Sarg beerdigt zu werden, ist es mir egal: dann mit Sarg.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER

Sadettin Deniz, 30, ist Inhaber des islamischen Bestattungsinstituts „Hicret“ (etwa: „Übergang“) in Berlin