Richter ohrfeigt Spitzelamt

Enttarnter V-Mann wird wegen Vertriebs von rechtsextremen Hass-CDs zu Bewährungsstrafe verurteilt. Landgericht wertet Rückendeckung durch den Verfassungsschutz als strafmildernd

BERLIN taz ■ Mit einer schallenden Ohrfeige für den Brandenburger Verfassungsschutz endete gestern vor dem Landgericht Berlin der Prozess gegen den brandenburgischen V-Mann Toni S. Dessen Straftaten, insbesondere der Vertrieb von rund 3.000 Exemplaren der illegalen Neonazi-CD „Noten des Hasses“, seien „unter den Augen und in Kenntnis einer staatlichen Behörde“ verübt worden, sagte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Brüning.

Er verurteilte den 28-jährigen Toni S. im Zusammenhang mit dessen Rolle bei der bundesweiten Verbreitung der „Noten des Hasses“ und dem Besitz von hunderten größtenteils indizierten CDs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe. S. habe sich in seinen Aktivitäten durch den Potsdamer Verfassungsschutz geschützt und gedeckt gefühlt, begründete das Gericht sein mildes Urteil für die mit rassistischen und antisemitischen Mordaufrufen und Hakenkreuzen versehene CD-Produktion. Der Verfassungsschutz, der den langjährigen Gubener Neonazi im Sommer 2000 als Informanten angeworben hatte, hätte den Vertrieb der CD stoppen müssen. Eine endgültige Aufarbeitung des Falls könne jedoch nur „im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Brandenburg stattfinden“.

Bei dem richterlichen Wunsch dürfte es denn auch bleiben. Zwar begrüßte der Sprecher des Brandenburgischen Innenministeriums, Heiko Homburg, die Verurteilung von Toni S. als „konsequent“. Die Vorwürfe gegen den landeseigenen Verfassungsschutz seien im Prozess jedoch keineswegs erhärtet worden. Ganz im Stil der letzten Monate, in denen sich Berliner und Brandenburger Sicherheitsbehörden wechselseitig Inkompetenz und Indiskretionen vorwarfen, bestritt Homburg ein Fehlverhalten des V-Mann-Führers. Homburg weiß die SPD- und CDU-geführte Parlamentarische Kontrollkommission des Potsdamer Landtags hinter sich. Sie hat bislang jede Kritik an Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin zurückgewiesen. Nur die oppositionelle PDS-Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht drängt weiterhin – und bislang vergeblich – auf vollständige Akteneinsicht für die Geheimdienstkontrolleure. HEIKE KLEFFNER

inland SEITE 6, meinung SEITE 12