288.000 Mark Nullgeschäft

Sven B. schickte an 40.000 Firmen einfach Rechnungen – über 700 zahlten daraufhin jeweils stattliche 379 Mark. Für nichts. Dafür gab es jetzt ein Jahr auf Bewährung. Das Geld ist allerdings weg

Das Monopol, Gebühren für Handelsregistereintragungen zu verlangen, liegt beim Amtsgericht. Sven B. hatte aber im Frühjahr 2001 ebenfalls versucht, bei neu zugelassenen Firmen abzukassieren. Und tatsächlich: Über 700 Firmen aus dem gesamten Bundesgebiet fielen auf fingierte Rechnungen für eine nutzlose Adressen-CD herein und zahlten brav geforderte 379,32 Mark. Gestern bekam er wegen fortgesetzten Betruges eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

In aller Schnelle hatten sich Anwalt, Gericht und Staatsanwaltschaft zu diesem Urteil durchgerungen. Denn andernfalls, da waren sich die Beteiligten einig, hätte es ein Mammutprozess werden können. „Mindestens 700, höchstens sogar 40.000 Zeugen“, so Richter Friedrich Wulf, wären zu laden gewesen. „In jedem Einzelfall müssten wir prüfen, ob sich die Betroffenen getäuscht gefühlt haben.“

40.000 Firmen, deren Adressen er aus Amtlichen Bekanntmachungen des Bundesanzeigers hatte, schrieb B. an. Die Briefe, so die Anklage, erweckten den Eindruck, es handele sich um amtliche Gebühren. Auch würden eiligen Betrachtern des Schriftstücks die kleingedruckten „Allgemeinen Rechtshinweise“ auf der Rückseite leicht entgehen können: Da hatte B. korrekterweise mitgeteilt, es bestehe keine Pflicht, die Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Der 26-Jährige jedenfalls war sich keiner Schuld bewusst. Immerhin hätten die Betroffenen für das Geld eine CD mit Firmenadressen erhalten und sowieso war das Ganze „ein Nullgeschäft.“ Sprich: Die 288.000 Mark, die innerhalb von drei Wochen auf sein Girokonto eingingen, seien längst weg. „Ich hatte schließlich auch Unkosten. Allein für die Anschreiben 50.000 Mark Porto“, erklärte er.

Ein Argument, mit dem sich Richter Wulf nicht so recht anfreunden konnte: „Ein Bankräuber, der einen Tresor aufschweißt, wird vor Gericht ja auch nicht sein Schweißgerät in Rechnung stellen können.“ Aber da B. angab, über kein Geld mehr zu verfügen, war das vorrangige Ziel von Staatsanwaltschaft und Gericht – Wiedergutmachung – außer Reichweite.

„Dennoch sollten Sie sich nach Kräften bemühen, wieder finanziell auf die Beine zu kommen“, sagte Wulf zu B. in der Urteilsbegründung, „damit das irgendwann einmal beglichen werden kann.“ Letztendlich sei der geringe Schaden im Einzelfall und die gute Sozialprognose des Angeklagten für die Bewährungsstrafe ausschlaggebend. B. arbeitet als Liquidator im Betrieb seiner Eltern, ist frisch verheiratet und erwartet ein Kind.

Zum Ende suchte Wulf nach Erklärungen für ein so blauäugiges Verhalten der Firmen. „Da sitzt ein kleiner Angestellter in der Buchhaltung und arbeitet eben die Rechnungen ab.“ Einfach so. Ole Rosenbohm