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: Philip Meinhold widmet sich in seinem Debütroman „Apachenfreiheit“ dem Single-Dasein zwischen Berlin, Prag und New York

Allein in der 2-Raum-Wohnung

Sie und er liegen im Bett. Weil er Lust hast, wandert sein Arm unter der Decke immer weiter in ihre Richtung, bis sein Handrücken schließlich an ihrem Oberschenkel zum Liegen kommt. Sie gibt mit einer gekonnten Drehung grünes Licht, seine Hand rutscht in ihren Schoß und los geht’s. Sex ist simpel.

Bis aber Geronemo, der Ich-Erzähler aus Philip Meinholds Debütroman „Apachenfreiheit“, endlich mit seiner Kollegin Betty an diesen Punkt kommt – und ausgerechnet dann wieder mal viel zu früh –, braucht es fünf sexlose Jahre beziehungsweise über hundert Seiten, in denen ein von der Banalität seines Alltags und der Ex-Frau-seines-Lebens gebeutelter Endzwanziger über die Facetten eines tristen Berliner Single-Daseins philosophiert: über die deprimierende Erfahrung erfolgloser Aufreiß-Nächte oder die Grausamkeit nicht enden wollender Sonntage allein in der 2-Raum-Wohnung.

Und später im Bett läuft es dann eigentlich auch nicht so richtig: „Vielleicht ist das ja das eigentliche Problem, dachte Geronemo, in Sex bin ich schlecht, nur in Phantasie bin ich gut.“ Dennoch verhakt sich der Schnellabspritz-Komplex unweigerlich in einer faden Charakterstudie. Was diesem Umstand am meisten zusetzt, ist Meinholds pubertäre und kalauernde Sprache, die eher auf jene Zielgruppe ausgerichtet scheint, mit der es der Autor auch im realen Radioalltag zu tun hat. Denn gleich seinem Protagonisten arbeitet auch Meinhold selbst, Jahrgang 1971, als Redakteur und Moderator bei Fritz.

„Guten Prag“, begrüßte ihn Comedy-Claus, der schon an seinem Computer saß, nachdem Geronemo von einer Reise zurück ist: „Wie war das Tschechen-Stechen?“ – „Leider nicht allzu stichhaltig“. Meinhold trifft an einigen Stellen – in den Beschreibungen zum jährlichen Weihnachtshorror oder beim Klassentreffen – bestenfalls einen Ton, der an Nick Hornby erinnern will, aber auf keinen Fall an ihn heranreicht.

Meinhold schmachtet sich dann zum Ende der Story hin. Als Geronemo während eines USA-Praktikums die verheiratete Sophie kennen lernt und sich die beiden Hals über Kopf ineinander verlieben, glaubt er natürlich, nun aber wirklich die „Richtige“ getroffen zu haben. Sophie hingegen will ihre Ehe nicht aufgeben, schwimmt darum endlose Kreise im Wechselbad ihrer Gefühle und entscheidet sich letztlich gegen Geronemo, gegen die wahre Liebe.

Das hört sich alles nicht nur furchtbar kitschig an, das ist auch in genau dieser Haltung geschrieben. Zwar gelingt es ihm vereinzelt besser als zuvor, echte Gefühle in Worte zu fassen, und die eine oder andere schöne Betrachtung zur Liebe auf Distanz oder zum Sex findet sich auch: „Geronemo konnte nicht sagen, wann das zweite Mal begann und das erste Mal endete. Es gab keine Pause, höchstens einen kurzen Übergang. Mit all der Sehnsucht, die sich in den anderthalb Wochen angesammelt hatte, waren ihre Körper aufeinander zugestürzt. Anschließend war er in ihr geblieben. Und während sie noch dabei waren, der gerade erlebten Lust hinterherzuspüren, erfasste sie auch schon eine neue Welle.“ Doch da ist allerdings der vermeintliche Gedanke an einen infantilen Männer-Autor längst der Erinnerung an diverse, von in Tränen getränktem Herzschmerz und softerotischen Abenteuern lebende Frauenromane gewichen.

PAMELA JAHN

Philip Meinhold: Apachenfreiheit. List Verlag 2002, 238 Seiten, 12 Euro