Die Opfer der Apartheid klagen an

Der südafrikanische Opferverband „Khulumani“ und das internationale Schuldenerlassnetzwerk „Jubilee 2000“ wollen zunächst 20 internationale Unternehmen wegen Unterstützung der Apartheid vor Gericht bringen. Und das ist erst der Anfang

aus Johannesburg MARTINA SCHWIKOWSKI

Opfer der Apartheid in Südafrika haben 20 internationale Banken und Firmen verklagt, die durch Finanzgeschäfte mit dem weißen Minderheitsregime ihr Leiden in den Jahren der Folter und Gewalt hinausgezögert haben sollen. Khulumani – eine landesweit tätige Unterstützungsgruppe für Apartheidopfer – hat zusammen mit dem internationalen Schuldenerlassnetzwerk „Jubilee 2000“ den US-amerikanischen Anwalt Michael Hausfeld beauftragt, ihre Klage auf Reparationen in New York vor Gericht zu bringen. Unter den Beschuldigten befinden sich fünf Unternehmen aus Deutschland: die drei größten Banken, Daimler-Chrysler und Rheinmetall.

Hunderte von Betroffenen kamen am Dienstag zum Gründungsort von Khulumani, die Methodistische Kirche in Johannesburgs Innenstadt, um ihre Forderungen zu bekräftigen. Gleichzeitig wurden in New York und Berlin ähnliche Veranstaltungen organisiert. Die eingereichte Klage wird von 85 Einzelpersonen und der Khulumani-Gruppe mit 33.000 Mitgliedern in Südafrika getragen. Die Unterschriften aller Khulumani-Mitglieder werden nach und nach eingereicht. Ebenso sollen weitere 100 Firmen und Banken der Klageliste hinzugefügt worden.

Khulumani – Zulu für „Erhebe die Stimme“ – wurde 1995 gegründet und vertritt die Interessen von Apartheidopfern, die Entschädigungen für die Apartheid fordern. 22.000 Schicksale hat Khulumani schriftlich dokumentiert – die meisten von Menschen, die enttäuscht und verbittert darüber sind, dass Südafrikas Regierung zwar mit der Wahrheitskommission Pionierarbeit bei der Vergangenheitsbewältigung geleistet hat, aber den Opfern keine konkrete Hilfe in Form von Entschädigungen gibt.

„Die Regierung hat eine moralische Verpflichtung, denn wir haben die Befreiung des Landes mit unserem Leben bezahlt“, sagt Khulumani-Sprecherin Thandi Shezi. „Gleichzeitig sagen wir den ausländischen Banken und Firmen auf direktem Wege mit unserer Klage, dass sie sich an Südafrikas Apartheidregierung bereichert haben und jetzt zur Verantwortung gezogen werden müssen.“ Khulumani gehe es dabei nicht so sehr um individuelle Auszahlungen als um die Entwicklung der armen Gemeinden. „Wir brauchen Geld für Erziehung, Häuser und ärztliche Hilfe“, sagt Shezi.

Eine Summe für die geforderten Entschädigungen nennt die Anklage nicht. Die Organisation Jubilee 2000 fordert jedoch darüber hinaus die Tilgung der Schulden, die Südafrikas ANC-Regierung vom Apartheidregime geerbt hat. Dieser Gerichtsfall wird vom südafrikanischen Anwalt Charles Abrahams vertreten. Er sagte gestern, dass die internationalen Finanzhäuser nicht der Folter und Gewalt im direkten Sinne beschuldigt würden, aber dass sie durch ihre finanzielle Kooperation das Regime langfristig unterstützt und gegen das internationale Recht auf Wahrung der Menschenrechte verstoßen hätten. Das könne vor einem ausländischen Gericht geltend gemacht werden, begründete er die Klage in New York: „Apartheid ist als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt worden“.

In New York reichte der US-Anwalt Ed Fagan Mitte dieses Jahres ebenfalls eine Sammelklage im Auftrag südafrikanischer Opfer ein, doch dies habe nichts mit der Khulumani-Klage zu tun, sagt Jubilee-2000-Sprecher Nevill Gabriel. Khulumani und Jubilee hätten sich stets von Fagan wegen seines Rufes als Profitmacher distanziert. „Wir mögen seinen Stil nicht, und in unserem Fall steuert nicht ein Anwalt das Verfahren, sondern wir als namentlich aufgeführte Individuen“, so Gabriel.