Voll korrekte Einstellung

Erstmalig hat das Umweltbundesamt türkischstämmige Migranten zu ihrem Umweltverhalten befragt. Ergebnis: Am Willen fehlt es nicht, sondern an Information

BERLIN taz ■ Türken scheren sich nicht um Umweltprobleme. So das Vorurteil. Die Wirklichkeit hat das Bundesumweltamt und das Zentrum für Türkeistudien interessiert, und so haben sie in der aktuellen Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2002“ nicht nur Deutsche, sondern auch 500 Haushalte türkischstämmiger Einwanderer befragt.

Das Ergebnis: Türken haben ein ebenso ausgeprägtes Umweltbewusstsein wie die deutsche Gesamtbevölkerung. In beiden Gruppen nennen über 90 Prozent der Befragten Umweltschutz eine wichtige politische Aufgabe. Der Unterschied: Die Deutsch-Türken fühlen sich schlecht informiert. Faruk Șen, Direktor des Zentrums für Türkeistudien, sagt: „Wir müssen für mehr Beratung in türkischer Sprache sorgen. Das muss in der Schule mit Umwelterziehung anfangen.“ Migranten-Organisationen sollen die insgesamt 607.000 Haushalte türkischstämmiger Migranten aufklären, deutsche Institutionen die Rahmenbedingungen für Kampagnen und Informationsveranstaltungen schaffen. „Und wir müssen die türkischen Frauen erreichen. Sie sind die Multiplikatorinnen in der Familie“, so Șen.

Der Organisation geht es darum, den Einwanderern klar zu machen, was Umweltschutz insgesamt bedeutet. Faruk Șen erklärt: „Türkisches Umweltbewusstsein fängt zu Hause an und hört an der Haustür auf.“ Die Studie zeige, dass Umweltschutz bei türkischen Mitbürgern Dinge wie Sauberkeit auf der Straße, Mülltrennung und grüne Stadtteile bedeute. Komplexere Begriffe wie die Erderwärmung, nachhaltiges Handeln und energiearme Produktion spielen bei ihnen keine Rolle.

Doch die Untersuchung zeigt auch: 52 Prozent der Migranten sind bereit, für Öko-Produkte mehr zu bezahlen. Sogar 54 Prozent befürworten höhere Steuern, wenn das Geld für den Umweltschutz ausgegeben werden würde. Zu diesem Einschnitt wären im Vergleich weniger Deutsche bereit. Von ihnen würde allerdings ein größerer Anteil mehr Geld für Öko-Produkte berappen.

Thomas Holzmann, Vizepräsident des Umweltbundesamtes (UBA), nennt die Konsequenzen, die aus der Studie gezogen werden müssen, eine „Herausforderung“. Das UBA will verstärkt mit Verbänden der türkischen Gemeinde in Deutschland zusammenarbeiten und die Aufklärung in den Mittelpunkt rücken. Doch Holzmann weiß auch: „Die Umweltkommunikation ist allgemein in der Krise. Die neue Studie hat uns gezeigt, dass wir den Leuten vermitteln müssen, was sie persönlich davon haben, wenn sie sich nachhaltig verhalten.“ SUSANNE KLINGNER