Grün würgt Rot

Die Grünen ringen der SPD das Versprechen ab, die Sozialsysteme weiter zu reformieren. Dafür stimmen sie am Freitag im Bundestag für die Erhöhung der Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent

BERLIN taz ■ SPD und Grüne haben ihren Streit über die Rentenpläne beigelegt, bevor er richtig ausgebrochen ist. Beide Seiten erzielten am Dienstag eine Einigung über den Auftrag der Kommission zur Reform der Sozialversicherungssysteme. Dieser schriftlich fixierte Arbeitsauftrag war von mehreren grünen Abgeordneten als Bedingung dafür genannt worden, dass sie der Erhöhung des Rentenbeitrags auf 19,5 Prozent am Freitag im Bundestag zustimmen werden.

Die Kommission, die von dem Sozialexperten Bert Rürup geleitet wird, soll Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung und Weiterentwicklung der Sozialversicherung entwickeln. Dabei soll insbesondere die Generationengerechtigkeit gewährleistet werden. Auftrag der Kommission ist es außerdem, Wege für die Senkung der Lohnnebenkosten aufzuzeigen. Auch Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit sollen berücksichtigt werden. Damit sind wesentliche Forderungen der Grünen erfüllt worden.

Die Kommission wird von Arbeits- und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eingesetzt. Nach Angaben von Schmidt entscheide sie, wer dem Gremium angehöre. Die Grünen könnten dafür Vorschläge machen. Im Herbst 2003 soll die Kommission ihren Bericht vorlegen. Daraus will die Koalition Schlussfolgerungen für weitere Reformschritte ziehen.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, erklärte, die Vereinbarung entspreche „genau den Verabredungen“ der Koalition. Sie gehe davon aus, dass es noch in dieser Legislaturperiode eine Senkung der Lohnnebenkosten geben werde. Fraktionschefin Krista Sager sagte, es sei nicht nötig gewesen, Schröder in die Knie zu zwingen. „Mit dem Kanzler hatten wir in dieser Frage nie Probleme“, so Sager. Die Bekenntnisse der SPD halte sie jedoch für keine Selbstverständlichkeit. Alle grünen Kritiker in der Fraktion erklärten gestern, sie könnten dem Rentengesetz im Bundestag jetzt zustimmen. „Das ist genau das Signal, das wir wollten“, sagte Albert Schmidt, „für die Kommission wird es keine Tabus geben.“ Der Wirtschaftsexperte Werner Schulz meinte, er stimme „nur schweren Herzens“ zu. Er nannte es eine „fragwürdige Aktion“, dass der Rentenbeitrag erhöht werde und die Koalition anschließend erkläre, sie wolle die Lohnnebenkosten senken. „Das ist eine rückwärts gelesene Lenin’sche Option“, so der marxistisch geschulte Schulz. „Ein Schritt zurück, zwei Schritt nach vorn.“ JENS KÖNIG

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