Grüne rüsten zum Endspiel

In den Umfragen steht die Partei gut da – doch ihre Führungskrise wird eher größer. Jetzt droht die Grünen-Spitze der bockigen Basis: Wählt Kuhn und Roth oder den Untergang

BERLIN taz ■ Rentenerhöhung? Haushaltslöcher? Die Wähler lieben die Grünen offenbar umso mehr, je weiter die SPD in der öffentlichen Achtung sinkt: Ihr Bundestagswahlergebnis von 8,6 Prozent konnten die Grünen in einer gestern veröffentlichten Forsa-Umfrage auf 10 Prozent steigern, während die Sozialdemokraten auf 32 Prozent abkippten. Trotzdem macht sich in den vorderen Reihen von Partei und Fraktion ein Hauch von Endzeitstimmung breit.

In weniger als drei Wochen muss der Parteitag in Hannover erneut über das Schicksal der Vorsitzenden Fritz Kuhn und Claudia Roth abstimmen. In der Berliner Grünen-Zentrale wird der Widerstand an der Basis inzwischen für so stark erachtet, dass Joschka Fischer persönlich die Parole „Durchmarsch“ ausgab, wie Führungskader der taz bestätigten. Zu der Linie gehört die Vorgabe, jede Diskussion über Alternativkandidaten zu Kuhn und Roth abzuwürgen. Auch der Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, gab gestern Endspiel-Parolen aus: „Wenn man richtig kämpft, dann diskutiert man keinen Plan B.“ Damit stünde die Partei im Fall eines erneuten Scheiterns ihrer Doppelspitze ohne Personal und Marschroute für den Weg aus der Krise da.

Schon bei der Vorbereitung des letzten Parteitags im Oktober hatte es die Führungsmannschaft abgelehnt, ein Scheitern ihres Antrags auf Satzungsänderung in Erwägung zu ziehen. Umso schockierender wirkte damals die Weigerung der Delegierten, Kuhn und Roth zu gestatten, auch als Bundestagsabgeordnete weiter die Partei zu führen. In Hannover soll nun eine Ausnahmeregelung für zwei Jahre den Vorsitzenden erlauben im Amt zu bleiben. In dieser Zeit könnte eine Urabstimmung unter allen Mitgliedern endgültig über die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat befinden.

In der Fraktionssitzung am Dienstag wurden die Abgeordneten ausdrücklich ermahnt, in ihren Kreisverbänden verstärkt für den Reformantrag zu werben. Trotzdem stehen Reservekandidaten bereit. Ralf Fücks, Vorstand der Böll-Stiftung, bekräftigte zwar gestern seine Unterstützung für Kuhn, Roth und die Satzungsänderung. Eine eigene Kandidatur im Falle eines Scheiterns der alten Doppelspitze schloss er aber nicht aus. Auch von Angelika Beer gab es kein Dementi eines FAZ-Berichts, der sie und Fücks erneut genannt hatte. Volker Beck rief möglichen Kandidaten gestern zu: „Ich kann sie nur auffordern herauszukommen.“ PATRIK SCHWARZ