Stoiber zurück zu den 1 a-Themen

Über Zuwanderung sagte Edmund Stoiber gestern wenig. Das überlässt er seinem Innenminister. Der Kanzlerkandidat spielt lieber Staatsmann und freut sich über die Lage im Irak. FDP legt sich bei Zuwanderung nicht fest: „Keine Details vor der Wahl“

von ULRIKE HERRMANN
und JEANNETTE GODDAR

Wenn Unionskandidat Edmund Stoiber auftritt, dann muss es um „1 a-Themen“ gehen. Er spricht nur über politische Fragen, die einem Staatsmann gebühren. Gestern waren dies der Arbeitsmarkt und vor allem die Lage im Irak. Das „1 b-Thema“, wie es Günther Beckstein nannte, erwähnte er kaum. Die Zuwanderung überließ er seinem bayerischen Innenminister, der am Tag zuvor den Wadenbeißer gab und gegen die „multikulturelle Gesellschaft“ wetterte.

Gestern also wurde die Rolle des moderaten und kompetenten Kanzlerkandidaten aufgeführt, der sich vor allem über die Entwicklung im Irak freuen konnte. Mit den Zugeständnissen aus Bagdad habe sich das SPD-Thema „Kriegsangst“ verflüchtigt. Und da Stoiber sowieso „nicht gläubig an Umfragen hängt“, ist er trotz der schlechten Prognosen sicher: Die Union sei „in Topverfassung“ und werde „stärkste Fraktion“. Das muss sie auch, wenn sie nicht wortbrüchig werden will: Eine große Koalition schloss Stoiber gestern erneut kategorisch aus. „Mit der SPD ist das Land nicht zu reformieren.“ Bleibt nur die FDP. Die Liberalen beharren jedoch auf ihrer Unabhängigkeit, können sich zumindest rhetorisch auch die SPD als Koalitionspartner vorstellen. Doch diese Option will Stoiber lieber nicht so ernst nehmen: „Ihre wichtigsten Ziele kann die FDP glaubwürdig nur mit der CDU/CSU verwirklichen“, so die Ermahnung an die renitente Kleinpartei.

Beim „1 b-Thema“ Zuwanderung und deren Begrenzung gab man sich beim potenziellen Koalitionspartner gestern vorsichtshalber schon längst nicht mehr so renitent wie vor einigen Wochen. „Keine Details vor der Wahl“, kommentierte der innenpolitische Specher Max Stadler gegenüber der taz die Frage, ob eine Beibehaltung des Anwerbestopps für Arbeitsmigranten mit der FDP zu machen sei. Ob man einer Streichung des Punktesystems aus dem Zuwanderungsgesetz zustimmen würde? Dito.

Noch Ende Juni hatte Stadler erklärt, es gäbe „kein Zurück hinter die vorgesehenen Standards“. Damals sprach er sogar von weiteren Erleichterungen bei der Aufnahme von ausländischen Arbeitskräften. Gestern wollte sich Stadler nur noch auf Positionen festlegen, die zwischen Union und FDP ohnehin wenig umstritten sind. „Die Integration kommt in dem Gesetz dürftig weg.“ Das hatte auch FDP-Chef Guido Westerwelle bereits am Montag im Anschluss an die Beckstein-Offensive konstatiert und Bereitschaft zu Gesetzesänderungen signalisiert.

Die Ex-FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dagegen warnte, es dürfe „keine Kursänderung“ geben. „Auf keinen Fall“ könne man den Anwerbestopp, von dem seit 1973 nur ausnahmsweise abgewichen werden darf, beibehalten. Die FDP-Frau warf der Union vor, sich gesellschaftlich zu isolieren: „Die gesamte Wirtschaft will flexiblere Regelungen.“

Auf Kritik stößt das „Sofortprogramm“ der Union zur Änderung des Gesetzes auch bei Einwanderern. „Wer so Wahlkampf betreibt, wird unter 700.000 wahlberechtigten Zuwanderern keine Anhänger finden“, so die Türkische Gemeinde. Pro Asyl warf der Union vor, Rassismus zu schüren. Im Asylrecht, das künftig Opfern nichtstaatlicher Verfolgung eine Anerkennung erleichert, tue Deutschland nichts anderes, als zu internationalen Standards zu finden.

Der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, hofft darauf, dass nach dem Wahltag wieder nüchterne Politik gemacht wird. Wenn in der letzten Woche „noch ein bisschen gerasselt wird“, sei das nicht bedenklich, so Kock. „Denn am Sonntag ist das Ganze vorbei.“