berliner szenen Fahr weiter, Fremder

Triebabfuhr

Der Berliner an und für sich hat bekanntlich kein ausgeprägtes Über-Ich. Fährt mit der BVG gern mal schwarz. Umgeht großzügig Schlangen, in die man sich als Exilhamburger sofort eingereiht hatte. Und so. Nun begab es sich aber, dass ein Berliner Autofahrer seinen Meister fand. Und zwar sah er sich an der Ecke Eisenacher Straße/Hohenstaufenstraße veranlasst, einen anderen, nicht von hier stammenden Verkehrsteilnehmer durch Betätigen der Hupe darauf aufmerksam zu machen, dass man in der Hauptstadt an Kreuzungen keineswegs zögerlich fährt. Das abgetan, war der Berliner Kfz-Führer weitergefahren.

Nur: Denkste! In OHZ (wo immer das liegt) lässt man sich so was, scheints, nicht bieten. Erst dreht der OHZ-ler die Scheibe runter und brüllt dem Hauptstädter hinterher. Dann gibt er Gas. Reifen quietschen. In der Eisenacher Straße Ecke Luitpoldstraße hat er den Berliner eingeholt, stellt sich vor ihn quer und – zieht er es durch, denkt man daneben stehend, der zieht es ja wirklich durch! – steigt aus. Sofort geht das Gebrülle los. Ein röteres Gesicht ward nie gesehen. Wörter wie „Polizei“ und „Ich zeig Sie an“ fallen. Der Berliner steigt natürlich auch aus und schimpft ein bisschen zurück; er hat ja gar nichts gemacht! Worauf der OHZler eine Digitalkamera zückt und zu Dokumentationszwecken ein Foto schießt. Blitzlicht zuckt. Ein, zwei Minuten geht die Brüllerei weiter, allmählich aber besänftigter. Inzwischen sind sie möglicherweise zum Biertrinken übergegangen.

Wer war denn da der wahre Berliner, fragt man sich. Und abschließend ist noch die moderne Technik zu loben. In Amerika hätte er wahrscheinlich eine Knarre gezogen. Hierzulande reicht eine Pocketkamera zur Triebabfuhr.

DIRK KNIPPHALS