„Halt’s Maul, lauf, sonst gibt’s Prügel“

Nie zuvor hat die Polizei die Bewegungsfreiheit der Medien bei einem Castor-Transport so eingeschränkt wie diesmal

DANNENBERG taz ■ Marco Strutz von Sat.1 muss in einer halben Stunde senden. Bilder hat er noch keine. Kann er auch nicht haben, denn die Polizei hält an diesem Donnerstagmorgen sein Team und den Übertragungswagen vor dem Dorf Gedelitz fest. Von dort soll Strutz einen Stimmungsbericht bringen. „Die Polizei lässt uns nicht passieren, weil sie angeblich fürchtet, Dorfbewohner und Demonstranten könnten den Wagen als Straßensperre nutzen“, sagt Strutz. Eine interessante Begründung: Im Dorf stehen hunderte Autos von Castor-Gegnern, die zur Abschlusskundgebung nach Gedelitz gekommen sind.

Kein Einzelfall. Nie zuvor hat die Polizei die Bewegungsfreiheit der Medien bei einem Castor-Transport so beschnitten wie diesmal. Jo Schrader vom Lokalradio Flora hatte sich in der Polizeipressestelle extra eine „Durchlasshilfe“ besorgt. „Geholfen hat die selten was“, so Schrader. „Meine Bewegungsfreiheit war extrem eingeschränkt.“ Sandra Schipp, ddp-Korrespondentin für Niedersachsen, wurde von der Polizei bei Hitzacker festgesetzt. Sie beschwerte sich bei der Pressestelle. „Die hat dann einen Beamten geschickt, erst dann ließ mich der Einsatzleiter vor Ort laufen.“ Auch dem freien Journalisten Till Below nützte sein Presseausweis nichts. Below: „Die Besatzung eines Mannschaftswagens sagte zu mir: Halt’s Maul, das interessiert uns nicht, lauf, sonst gibt’s Prügel.“

Es handelt sich hierbei indes keineswegs um böswillig ausgewählte Statements – einer ganzen Reihe von Journalisten erging es ähnlich. Jürgen Voges, taz-Korrespondent in Niedersachsen, wurde am Dienstagabend bei Pisselberg von der Polizei beschuldigt, versucht zu haben, eine Beamtin zu überfahren. „Als ich meinen Presseausweis vorzeigte, wurde die Beschuldigung reduziert auf ‚Entziehen einer Personenkontrolle‘ “, so Voges. Erst nach einigen Telefonaten mit der Einsatzzentrale wurden alle Beschuldigungen fallen gelassen.

Wesentlich härter traf es die Fotografin Gisela Petersen von der Agentur Subkontor, die am Mittwoch die Besetzung der ICE-Trasse bei Lüneburg fotografiert hatte. Um eine gute Perspektive bemüht, war sie, wie einige Demonstranten, zwischen die Gleise getreten. Das brachte auch ihr die Festnahme ein. Begründung des Einsatzleiters: Der ICE musste auch wegen ihr halten. Da nutzten weder Presseausweis, noch Intervention. Polizeisprecher Detlev Kadinski: „Auch die Presse muss sich an die Regeln halten.“

Und die Regeln macht die Polizei. Dem Verfasser dieser Zeilen etwa gelang es kein einziges Mal, bis an die Transportstrecke vorzudringen. Nach Beschwerden in der Pressestelle bekam ich zwar stets Recht; schließlich gilt das Versammlungsverbot nicht für Journalisten. Wenn allerdings der Einsatzleiter vor Ort eine Gefährdung der Sicherheit erkenne, so die Polizeipressestelle, könne er Journalisten des Platzes verweisen. An welcher Stelle auch immer ich mich der Strecke näherte – stets war die Sicherheit des Transportes gefährdet.

Einzig die Reporterin der taz Hamburg, Heike Dierbach, konnte ohne Konflikte mit der Polizei ihrem Job nachgehen. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Presseteam der Polizei stets bemüht war, Journalisten aus der Patsche zu helfen. Ddp-Korrespondentin Sandra Schipp: „Als mein Handy-Akku leer war, hat mir die Presseabteilung geholfen.“ NICK REIMER