AKW Unterweser: Risse im Rohr

Mal wieder Probleme beim Meiler-Check. Kritiker vermuten Materialermüdung, Altersschwäche und einen „Fehler im System“, Bundesumweltminister fordert „lückenlose Prüfung“. Zum Glück ist das Atomkraftwerk derzeit abgeschaltet

26 Zentimetern lang, bis zu fünf Millimeter tief, ein Sechstel der Wanddicke

Nur ein stillgelegtes Atomkraftwerk ist sicher, sagen Kernkraft-Gegner. Insofern ist die Sicherheit der Region trotz des jüngsten Störfalls im AKW Unterweser derzeit gewährleistet – Anfang September ist der Meiler außerplanmäßig vom Netz gegangen, weil ein Generator ausgetauscht werden musste.

Dennoch weisen die jüngsten Risse in Leitungen des Reaktors möglicherweise auf erhebliche Altersschwäche des Kraftwerks hin, sagt die AKW-Expertin von Greenpeace, Susanne Ochse: „Das klingt alles wie eine richtige Materialermüdung.“ Das AKW ist seit 1979 in Betrieb und hat noch eine Restlaufzeit bis 2013.

Bei Materialprüfungen in Unterweser waren „in drei für die Reaktorsicherheit wichtigen Rohrleitungen Risse festgestellt worden“. Das meldete das Bundesumweltministerium gestern und verlangte vor einer Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme „eine lückenlose Aufklärung und vollständige Ursachenbeseitigung“. Ein Bericht der niedersächsischen Landes- atomaufsicht wurde angefordert, die Berliner Behörde hat eine Beratung in der Reaktor-Sicherheitskommission am Anfang Dezember angekündigt.

Wie Ultraschallmessungen des Betreibers Eon ergeben hatten, hat der innen liegende Riss in einer der drei Rohrleitungen eine Länge von etwa 26 Zentimetern und eine Tiefe von bis zu fünf Millimetern. Das entspricht einem Sechstel der Wanddicke.

Die Schwachstelle befindet sich in einem Rohrleitungsbereich, durch den der Dampferzeuger mit Wasser versorgt wird. Damit ist er für die Wärmeabfuhr aus dem Primärkreis wichtig – die Problemstelle kommt nicht mit radioaktivem Wasser in Berührung. Aber: Bei einem größeren Leck in diesem Bereich stelle sich die Frage einer ausreichenden Kühlung des Reaktorkerns, sagt das Bundesumweltministerium. „Die Frage stellt sich überhaupt nicht“, betont indes eine Eon-Sprecherin. Der Bereich habe „überhaupt keinen Einfluss auf die Kühlung“, die schadhaften Leitungen würden ausgewechselt. Wann Unterweser wieder ans Netz ginge, sei bislang unklar.

Laut niedersächsischer Atomaufsicht waren bereits bei einer Prüfung im Jahr 1995 an der gleichen Stelle Anzeichen festgestellt worden, die der Betreiber allerdings nicht als Befund einstufte. Ein weiterer Check des Kraftwerks ergab, dass auch zwei weitere Dampferzeuger an der gleichen Stelle „Rissanzeigen“ aufweisen. „Wir haben informiert, weil es sich möglicherweise um einen systematischen Fehler handelt“, sagt Jutta Kremer-Heye, Sprecherin im niedersächsischen Umweltministerium. Unterweser ist baugleich mit Kernkraftwerken in Hessen und Baden-Württemberg.

Der Zwischenfall verstärkt die Sorgen der AKW-Gegner in der Region: „Sehr beunruhigend“, sagt Helga Rinsky von der „Aktion Z“. Laut Bundesamt für Strahlenschutz habe das AKW 1998 und 1999 dreimal so viele meldepflichtige Pannen hatte wie alle Atommeiler zusammen gehabt, eine davon sei die schwerwiegendste in Deutschland seit 1988 gewesen. „Da ist ein Fehler im System“, meint Rinsky. Vor allem, dass der Fehler nur durch das außerplanmäßige Herunterfahren des Meilers entdeckt wurde, findet Rinsky schlimm: „Wenn der Generator nicht kaputtgegangen wäre, hätten die es erst bei der Revision nächstes Jahr gemerkt.“

Kai Schöneberg