„Das Babylon ist ein Schatz“

Der Verein Filmkunsthaus Babylon in Mitte erhält den Denkmalpreis. Joachim Roemer, baulicher Koordinator und Gründungsmitglied, über Kino, Gemütlichkeit und stalinistische Überformungen

Interview ROLF LAUTENSCHLÄGER

taz: Herr Roemer, wissen Sie, mit welchem Film das Kino Babylon 1929 eröffnet wurde?

Joachim Roemer: Ja. Das war „Fräulein Else“.

Eine preisverdächtige Antwort. Das Babylon erhält am Montag vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz den diesjährigen Denkmalpreis verliehen. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?

Für das Programm haben wir schon mehrfach Preise erhalten. Jetzt gibt es einen zum baulichen Aspekt. Als Architekt freut mich das natürlich.

Wird nicht eher das langjährige Engagement einer kleinen unbeugsamen Truppe statt das Bauwerk geadelt?

Das war keine kleine Cineastentruppe, die Widerstand geleistet hat. Dann hätten wir möglicherweise auch einen Preis gekriegt, aber nicht vom Nationalkomitee für Denkmalschutz. Es wird unsere Beharrlichkeit, das Kino zu erhalten, gewürdigt.

Ist der Preis mit einem Geldpräsent verbunden?

Es gibt eine silberne Halbkugel. Geld gibt’s nicht.

Wann hat der Verein mit dem Engagement für das Babylon begonnen?

1990. Der direkte Anlass war, dass die Heizung Kohlenmonoxid abgab und das Haus geschlossen wurde. Außerdem hatten viele die Befürchtung, die Treuhandanstalt wolle das Kino verscherbeln. Es gab massive Protestaktionen, die dazu führten, dass der Verein mit 17 Mitgliedern gegründet und der Verkauf abgewendet wurde. Die damalige Bezirksfilmdirektion hat dem Verein dann das gesamte Inventar überschrieben. Auch wurde ein langfristiger Mietvertrag mit der damaligen Wohnungsbaugesellschaft abgeschlossen. Und drittens konnte beim Senat durchgesetzt werden, dass es ein zweites kommunales Kino geben muss und das Babylon eine institutionelle Förderung erhielt.

Wollten die Mitglieder nicht eher Kino machen als ein Denkmal retten?

Sicher waren die Gründungsmitglieder mehrheitlich Leute, die mit dem Kino zu tun hatten. Dass das Haus ein Denkmal ist, ist erst langsam gewachsen – auch dass noch Poelzigs Architektur da war, war vorher nicht so bewusst …

das Kino von Hans Poelzig aus dem Jahr 1929 ist das letzte Filmkunsttheater aus der großen Ära des Stummfilms.

Die meisten fanden das Kino gemütlich, so wie es war, mit den stalinistischen Überformungen. Erst später, nach einer Ausstellung, dem Interesse der Denkmalschützer und dem Erhalt der Sanierungsmitteln merkten die Leute, dass das Babylon ein Schatz ist mit seinem Raum und der Stummfilmorgel.

Hat sich auch im Umfeld das Bewusstsein geschärft?

Inwieweit der unmittelbaren Öffentlichkeit das Denkmal bewusst war, ist zweifelhaft. Als 1993 der Dachbinder brach, der große Saal geschlossen wurde und im Foyer ein sechsjähriges Kinoprovisorium stattfand, haben doch teilweise die Leute gar nicht gewusst, dass sich dahinter noch ein Kino verbirgt.

Wie viele Mitglieder hat der Verein heute?

Zwischenzeitlich waren wir rund 50, darunter viele Filmemacher, heute sind es rund 25 Mitglieder. Nach chaotischem Beginn haben sich die Arbeit und der Betrieb professionalisiert.

Das Kino hat bis zur Schließung Anfang der 90er-Jahre mehrere Umbauten mitgemacht. Was ist vom Original aus dem Jahr 1929 bei der Sanierung 2000/2001 geblieben?

Die Denkmalpflege vertrat den Standpunkt, man müsse alles erhalten, was belegt werden kann, was vorhanden ist und – das war wichtig – was den Betrieb des Kinos konsolidiert.

Erhalten ist die Kassenhalle aus Travertin von 1952. Das Foyer ist zwar 1948 umgestaltet worden, doch dort waren neben der Orgel und den baulichen Konturen die meisten Spuren und Farbschichten von Poelzig noch zu sehen. Das war rekonstruierbar. Der große Saal war von der sowjetischen Besatzungsmacht extrem überformt worden. Von Poelzig war da kaum noch etwas sichtbar, darum wurde auf einen ‚Quasi-Poelzig‘ verzichtet und eine behutsame Sanierung beschlossen unter Bewahrung der Historie.

Was man heute sieht, ist ein Kino im geschichtlichen Prozess.

Die Denkmalpflege wollte, dass alle Schichten, die das Haus erlebt hat, bewahrt werden.

Aber das Kino hat heute zwei Säle: den großen Saal und das kleine Studio-Kino. Die frühere Bühne liegt hinter der Leinwand, der Rang wurde verkleinert. Ist das nicht ein Verrat am Denkmal?

Sicher hätte die Denkmalpflege das Original lieber wiederhergestellt. Das fanden die doch auch schön. Nur, es ging nicht darum, was schön ist, sondern darum, Geschichte zu bewahren und zugleich die funktionalen und technischen Anforderungen für ein Kino zu berücksichtigen.

Der Umbau und die Wiedereröffnung 2001 fielen in die Zeit des großen Off-Kino-Sterbens und der Multiplex-Eröffnungen in Berlin. Da investiert man doch in Risikokapital?

Sicher konnten hier keine rein betriebswirtschaftlichen Aspekte gelten. Auf der anderen Seite gibt es doch das Bedürfnis, auch solche Räume zu benutzen. Das sieht man doch etwa beim Cinema Paris. Und haben die Multiplexe nicht jetzt auch Schwierigkeiten?

Lebt das Kino von seiner Geschichte?

Ich glaube nicht, dass die Leute wegen Poelzig herkommen. Sie kommen wegen des Programms und weil es ein Stadtteilkino ist – was es auch zu DDR-Zeiten war. Am „Tag des offenen Denkmals“ gibt es aber auch ein großes Interesse.

Hans Poelzig hat – außer dem Kino – die Volksbühne und den damaligen Bülowplatz als Gesamtanlage konzipiert. Hätte deshalb nicht das ganze Ensemble ausgezeichnet werden müssen?

Es ist eine Auszeichnung des Vereins sowie seiner Arbeit, aber kein architektonischer Preis.

Die PDS wünscht sich auf dem Platz ein Rosa-Luxemburg-Denkmal. Sie auch?

Das ist allemal besser als ein Denkmal für Horst Wessel, wie der Platz zur Nazizeit hieß. Es ist auch besser als ein Bülow-Denkmal. Gegen Rosa Luxemburg kann man doch nichts haben.

Haben Sie im Babylon freien Eintritt?

Alle Mitglieder des Vereins haben freien Eintritt.