buchtipp
: Globale Seelen

Unterwegs

Es gibt globale Märkte, globale Finanz- und Warenströme, das World Wide Web und die Himmelstempel der Globalisierung, in denen sich die Wege globaler Nomaden, reicher wie armer, treffen. Flug- und Webmiles werden zur globalen Währung – es heißt, Billionenbeträge haben sich in diesem virtuellen Geld angesammelt. Aber gibt es auch eine globale Seele? Ja, meint Pico Iyer, in England geborener und in den USA aufgewachsener Sohn indischer Eltern, der in Cambridge studierte und heute als Reporter um die Welt reist, wenn er nicht in Nara bei Kioto in der Anonymität einer japanischen Neubausiedlung seine Artikel schreibt.

Pico Iyer ist zum Minnesänger und Stenographen der globalen Existenzen und ihrer Suche nach einer Heimat geworden. Seine gesammelten Essays, einige davon erschienen auf Deutsch bereits in der Zeitschrift Lettre International, sind mehr als nur Reportagen: über den Flughafen von Los Angeles, den tausende Einwanderer seit ihrer Ankunft in die Vereinigten Staaten nie wirklich verlassen haben, weil sie dort arbeiten, über die multikulturelle Musterstadt Toronto, die nicht frei ist von einem bizarren Rassismus, über globale Existenzen in einem Hongkonger Hotelpalast oder Iyers Wahlheimat Japan, deren Wesen sich dem westlichen Auge nur schwer erschließt.

Iyer reist in ein paar Sätzen mühelos von Davos nach Singapur, von Kioto nach Kalifornien. Es sind Erzählungen über multikulturelle Findelkinder, die ihre Identitäten immer wieder neu erschaffen, indem sie ihr emotionales Kapital von einem inneren Sparkonto abheben, dessen Stammkapital Vergangenheit und Gegenwärtiges ist. Das Fremde, das wir bestaunen, ist immer ein verlorenes Paradies. SABINE BERKING

Pico Iyer: „Sushi in Bombay – Jetlag in L. A. Unterwegs in einer Welt ohne Grenzen“. Aus dem Englischen von Carl Freytag. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. 318 Seiten, gebunden. 19,90 €