Krieg sorgt nur kurz für Aufregung

Regierungsmehrheit für Verlängerung der Kampfeinsätze gegen den Terrorismus. In der Debatte hatten Politiker aller Parteien am Thema vorbeigeredet. Rot-Grün spricht lieber über Menschenrechte, die Union über die Irak-Politik der Bundesregierung

aus Berlin BETTINA GAUS

Routinierte Debatte, vorhersehbares Abstimmungsergebnis – doch plötzlich sah es gestern so aus, als habe sich im Bundestag gerade ein politisches Erdbeben ereignet. Elf Abgeordnete hatten in der namentlichen Abstimmung gegen die Verlängerung des Mandats für die Militäroperation „Enduring Freedom“ gestimmt, fünf sich enthalten. Da Union und FDP ihre Zustimmung angekündigt hatten, lag der Verdacht nahe: Die Bundesregierung schien über keine eigene Mehrheit in der wichtigen außenpolitischen Frage zu verfügen, ob die Bundeswehr sich weiterhin an der militärischen Bekämpfung des internationalen Terrorismus beteiligen soll.

Die Aufregung erwies sich jedoch bald als unbegründet. Als Erster hatte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Volker Beck die Liste. Er teilte mit, dass vier Parlamentarier der Union, drei der FDP, zwei Grüne (Christian Ströbele und Winfried Hermann) und die beiden PDS-Abgeordneten mit Nein stimmten. Auch vier der fünf Enthaltungen kamen aus der CDU/CSU, nur eine von den Grünen. Der Kanzler und sein Außenminister konnten aufatmen.

Der Abstimmung vorangegangen war eine zweistündige Debatte, in der es um alle möglichen Themen ging – aber nur ganz am Rande um die Frage, die eigentlich anstand. Stattdessen nutzten Union und FDP die Gelegenheit, die Regierung erneut wegen ihrer ablehnenden Haltung zu einem möglichen Irakkrieg zu kritisieren und ein weiteres Mal die ihrer Meinung nach bestehende Unterfinanzierung der Bundeswehr anzuprangern. Die Redner von SPD und Grünen verwiesen hingegen vor allem auf Erfolge beim Kampf für die Menschenrechte und beim Wiederaufbau von Afghanistan.

Bei der Rede der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) entstand über weite Passagen der irrige Eindruck, es solle über das Mandat der UN-Friedenstruppen in Kabul oder gar über humanitäre Maßnahmen abgestimmt werden und nicht etwa über den Einsatz von Kampftruppen. Sie verwies auf den Wiederaufbau von Schulen und Krankenhäusern sowie auf die Einrichtung von Frauenberatungszentren: „Das ist doch eine wunderbare Leistung.“ Es gehe „doch um Menschen“, sagte die Ministerin. „Es geht doch nicht darum, dass wir irgendwelche Prinzipien diskutieren.“ Zugleich wandte sich die SPD-Politikerin gegen weltweit steigende Militärausgaben und forderte verstärkte Investitionen in die Armutsbekämpfung.

Außenminister Joschka Fischer stellte einen „engen Zusammenhang“ zwischen dem Wiederaufbau in Afghanistan und der Operation „Enduring Freedom“ her. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus müsse oberste Priorität haben. Unter diesem Gesichtspunkt sei jedoch ein Krieg gegen den Irak die „falsche Prioritätensetzung“. Er habe die „große Sorge“, dass ein solcher Krieg zu Konsequenzen führen könne, die am Ende den Terrorismus noch stärkten.

Der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz erklärte hingegen, eine Zuspitzung im Irak könne auch Auswirkungen auf deutsche Soldaten haben, die derzeit unter anderem in Kuwait und am Horn von Afrika stationiert sind. Er erinnerte daran, dass die Marine die Aufgabe habe, Schiffen Geleitschutz zu geben, und warf die Frage auf: „Gilt das auch, wenn diese Schiffe Nachschub in einem Irakkrieg transportieren?“ Die Frage blieb unbeantwortet.