Ein Klo ist ein Klo ist ein Klo

Banale WC-Kunst in der Ausstellung „Sauber und diskret“: Die Hamburger Fotografin Thordis Karlotta Rüggeberg zeigt im Museum für Kunst und Gewerbe ihre Bilder von öffentlichen Toiletten

Meist in bläuliches Licht getaucht, werden Details aus Toiletten monumentalisiert

von KARIN LIEBE

„Rico, u are my one and only! Bitte lass mich nicht allein!“ Eine gewisse Leyla hat diesen Appell an eine Toilettentür geschrieben. Wir wissen nicht, ob Rico die Flehende erhört hat, nur eins ist ziemlich sicher: Er hat ihren Spruch nie zu sehen bekommen. Denn Leyla war zum Zeitpunkt ihrer öffentlichen Sehnsuchtsbekundung mit hoher Wahrscheinlichkeit allein in einer Damentoilette. An einem der wenigen Orte, an denen die Geschlechter noch getrennt sind, einem der wenigen Orte, an denen man auch in der Öffentlichkeit ganz für sich allein sein kann. Und trotzdem, wie die vielen Klosprüche auf dem Foto von Thordis Karlotta Rüggeberg zeigen, den Wunsch nach Kommunikation exzessiv auslebt.

Die Toilette als Ort zwischen Intimität und Öffentlichkeit wirft viele spannende Fragen auf. Warum etwa entblößen Männer ihre primären Geschlechtsteile öffentlich in Pissoirs, während Frauen ihr Geschäft hinter verschlossenen Türen erledigen? Warum entleeren sich viele Völker in Plumpsklos, während hierzulande die Ausscheidungen per Knopfdruck in der Kanalisation entschwinden? Die Hamburger Fotografin Thordis Karlotta Rüggeberg, 1968 in Wuppertal geboren, fokussiert in ihren Großaufnahmen öffentlicher Toiletten weder geschlechtliche noch kulturelle Unterschiede. Angeregt durch die Beobachtung, wie ihre Großmutter Müll reinigte, um ihn anschließend in der Wertstofftonne zu entsorgen, hat sie ihr einziges Augenmerk auf den Aspekt der Sauberkeit gelegt.

Sauber und diskret heißt ihre Ausstellung, die jetzt im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist. Und sauber und diskret sind dort auch ihre 13 stark vergrößerten Polaroidaufnahmen präsentiert: in einem kleinen Raum, auf den keinerlei Schilder hinweisen und den die wenigen Besucher, die sich hierher verirren, nach einem kurzen Blick rasch wieder verlassen.

Weil die Fotos Tabus oder Ekelgrenzen verletzen? Wohl kaum, Rüggebergs Aufnahmen strahlen größtenteils klinische Kälte aus. Meist in bläuliches Licht getaucht, werden Details aus Toiletten monumentalisiert. Ein Handtuchspender, aus dessen bauchigem Kunststoffleib sich appetitlich ein weißes Tuch bauscht. Oder zu ordentlichen Pyramiden gestapelte Klopapierrollen auf einer Heizung oder einem Fensterbrett. Oder drei Urinale in glänzendem Keramikweiß vor gekachelten Wänden.

Keine Pinkelspuren, nicht die leiseste Andeutung, dass es hier um menschliche Ausscheidungen geht. Und kein Mensch zu sehen. Dafür künden Objekte von den unvermeidlichen Gebrauchsspuren des Lebens: eine rostige Tür mit fehlendem Türknauf, darüber ein Schlüsselloch ohne Schlüssel. Ein Seifenspender von der Sorte, die es nur noch vereinzelt in Nahverkehrszügen gibt: Krümeliges Pulver rutscht da aus einer gezackten Scheibe in die Hand des Toilettenbenutzers. Der Großteil der Fotos aber lässt einen so kalt wie die Berührung mit dem Porzellan einer Kloschüssel.

Dass Rüggeberg als Assistentin bei verschiedenen Werbefotografen gearbeitet hat, merkt man ihren Fotos an. Ihre sauber komponierten Stillleben weisen in vornehmer Zurückhaltung auf einen weniger appetitlichen Aspekt des Lebens hin, ohne ihn jemals zu zeigen oder durch Ironie und Provokation neue Blickwinkel auf ihn zu eröffnen. Kein Wunder, dass das Interesse an der Darstellung sanitärer Einzelteile beim Ausstellungsbesucher rasch erlahmt. Dafür wächst die Dringlichkeit der Frage, warum Rüggeberg überhaupt klinisch saubere öffentliche Toiletten fotografiert hat. Wie aus der schlichten Infotafel zu entnehmen ist, hat sie Werbung für Hygieneartikel aller Art untersucht. Und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass sie ein eindringlicher Appell sei „an die offensichtlich tief sitzende Angst vor Schmutz, schlechten Gerüchen, Bakterien oder Krankheiten. Alles soll keimfrei, kraftvoll, duftend, diskret sein“.

Umso erstaunlicher, dass die Fotografin dieser keimfreien Bildsprache selbst auf den Leim geht. Ein Urinal ist bei ihr nichts als ein Urinal. Wenn man allerdings lange genug auf Kacheln und Porzellan gestarrt hat, werden manche Objekte doch lebendig. Aus banalen Pinkelbecken werden freundliche Delfine, die sich mit weit geöffneten Schnauzen anlächeln. Oder aber gefährliche, alles verschlingende Abgründe.

Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 5.1.03