Elf Freunde sammeln Nuss für Nuss

Unter dem neuen Trainer Mirko Votava erzielt Zweitligist 1. FC Union endlich mal wieder ein Tor. Gegen Eintracht Frankfurt reichte das zwar auch nur zu einem 1:1-Unentschieden, aber das verunsicherte Team zeigte das beste Spiel seit Wochen

von FRANK KETTERER

Auch deshalb haben sie ihn ja geholt zu Eisern Union: Weil er die Sprache der Spieler spricht, die bisweilen eine einfache ist und keine mit vielen Kommas oder sonstigem Schnickschnack. Schon in der Halbzeitpause hat Mirko Votava von seiner Gabe Gebrauch gemacht, was durchaus angeraten schien, wie der neue Union-Trainer später zu erzählen wusste. „Viele waren da schon wieder am Verzweifeln“, erstattete der 46-Jährige Bericht von dem Bild, dass er bei Betreten der Kabine vorfand und das geprägt war von hängenden Köpfen, weil Union nach mäßigem Spiel und einem Tor in der Nachspielzeit doch schon wieder im Hintertreffen war, diesmal gegen Eintracht Frankfurt.

„Ich habe dann gesagt: Nee, das verlieren wir nicht. Leute, wir haben hier noch was vor“, so Votava – und siehe da: Die Spieler haben den Trainer verstanden, er spricht ja ihre Sprache. Die Eisernen jedenfalls gingen zurück auf den Platz der Wahrheit, hatten gleich nach Wiederanpfiff noch eine brenzlige Situation zu überstehen, machten sieben Minuten später aber den Ausgleich durch einen feinen Freistoß von Kostadin Vidolov und zeigten fortan die beste Leistung seit Wochen, wenn nicht sogar seit Monaten.

Das reichte am Ende zwar wieder nicht zum Sieg, vielleicht auch deshalb, weil Jan Sandmann in der 83. Minute wegen Foulspiels vom Platz gestellt wurde (Votava: „So was kann halt passieren“), was dem Offensivdrang der Berliner in der Schlussphase deutlich die Vehemenz nahm, wurde aber dennoch allseits als Erfolg gewertet; schließlich spielt „Frankfurt um den Aufstieg und wir versuchen, aus dem Tal zu kommen“, vergaß Votava nicht zu betonen.

Am Ende war sogar der Mann mit dem Schnauzbart zufrieden. Nicht mit dem 1:1, „weil ich jedes Spiel gewinnen will“, wohl aber mit der Leistung seiner neuen Schützlinge, vor allem im zweiten Durchgang. „Die Jungs waren giftig und wollten die Karre aus dem Dreck ziehen“, glaubte Votava beobachtet zu haben, nach dem Ausgleich tat Union das gar vermehrt mit spielerischen Mitteln. Dem ersten Tor seit 258 Spielminuten schien ein enormes Befreiungspotenzial innezuwohnen, fast schien es, als hätte der Treffer bei den Union-Spielern die Erinnerung freigelegt, dass auch sie es tatsächlich einmal konnten: Fußball spielen. Und dass sie es nur wieder zu tun brauchen, um aus dem Tal der Tränen herauszukommen.

Vor allem der erst in der 34. Minute eingewechselte Uche Igwe sorgte für einigen Wirbel in der nun bisweilen gar nicht mehr souverän wirkenden Abwehrkette der Frankfurter. Aber auch Torschütze Vidolov legte seine Verzagtheit mehr und mehr ab und nahm dafür die Regie des Union-Spiels auf, derweil Torwart Robert Wulnikowski bei den nun eher seltenen Kontern der Gäste weiterhin einfach das tat, was er schon in Halbzeit eins unter erheblich stärkerem Druck getan hatte: parieren und der Abwehr mehr und mehr ein Gefühl von Sicherheit verleihen.

Nun macht eine Schwalbe noch lange keinen Sommer, schon gar nicht wenn der Novembernebel derart dick über der Wuhlheide wabert wie an diesem Freitagabend und das Spiel an den Rand des Abbruchs zwingt; als erster, vorsichtiger Schritt aus der Misere aber dürfen sie das Remis gegen die Eintracht schon werten, ganz bestimmt. „In der zweiten Halbzeit ist eine Mannschaft aufgelaufen“, formulierte das Trainer Votava, was in der Sprache der Spieler heißt, dass endlich mal wieder elf Freunde auf dem Platz gestanden haben oder doch zumindest elf Verbündete; zuletzt war das bei Union keineswegs der Fall. Allzu fest scheint der Glaube an die eigenen Fähigkeiten allerdings noch nicht zu sein, acht Spiele ohne Sieg haben die Verunsicherung sprießen lassen und die Zweifel. „Ob es aufwärts geht, werden erst die nächsten Spiele zeigen“, glaubt der verletzt ausgewechselte Steffen Baumgart, auch Michael Molata genießt den Blick in die Zukunft eher mit Vorsicht: „In unserer Situation müssen wir uns das Selbstvertrauen in jedem Spiel neu erarbeiten“, findet der Abwehrspieler, konnte aber immerhin „einen Schritt nach vorn“ bilanzieren. Auch Votava sieht das so, gepackt hat er es in diese Worte: „Wir müssen uns jetzt ernähren wie das Eichhörnchen – Nuss für Nuss.“ Die Spieler wissen schon, wie er das meint.