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VfL Effenburg – FC Ballack

Mit 1:0 besiegt FC Bayern München den VfL Wolfsburg, doch das mit Spannung erwartete Duell zwischem dem alten Boss und dem designierten neuen findet mangels Spielfreudigkeit nicht statt

aus München THOMAS BECKER

Sachte tritt er mit den Fußspitzen gegen die Wand. Bloß nichts kaputt machen, bin schließlich Gast hier. Nicht, dass es Ärger gibt. Wäre ja nicht das erste Mal. Und dann muss er es doch tun: testen, ob der Lack ab ist, ob wirklich der Putz bröckelt, seit er nicht mehr da ist. Nicht wenige glauben, dass die Krise des FC Bayern mit dem Fehlen von Stefan Effenberg zusammenhängt. Dass es kein Zufall ist, dass Bayern keinen „Zehner“ mehr hat, keinen Häuptling, nur noch Indianer. Andere sind froh, dass die Reizfigur samt seinen Eskapaden endlich weg ist, weitergezogen in die Wolfsburger Provinz, wo Münchner Boulevardjournalisten nun Kneipen und Discos auskundschaften müssen.

Doch jetzt ist er wieder da, steht kurz vor dem Anpfiff mit den Kollegen im Kabinengang des ihm bestens bekannten Olympiastadions, testet nervös den Putz und wartet, bis es endlich rausgeht auf den Platz, wo sie ja bekanntlich liegt, die Wahrheit. Justament als die Stadionkamera Effenberg erfasst, dröhnt Tina Turner aus den Lautsprechern: „Simply The Best“.

In diesen ein, zwei Minuten im Gang ist viel passiert. Die Spieler beider Teams stehen nur eine Armlänge nebeneinander. Effe und seine ehemaligen Kameraden. Wie oft hat er sie hinausgeführt, nebendran Beckham, Figo, Zidane. Wie oft hat er sie auf dem Platz angeplärrt, umarmt, zusammengestaucht. Wie oft sind sie durch denselben Gang wieder in die Kabine marschiert. Ziemlich oft als Sieger. Jetzt stehen sie neben- statt hintereinander, und die Fronten sind klar wie selten. Scholl, Elber, Kuffour, Lizarazu, Salihamidzic und Santa Cruz kommen zum Klapsverteilen, Linke und Ballack schauen angestrengt ins Leere oder an die schmucklose Decke. Der Cheffe lässt sich gar zu einem aufmunternden Klaps auf den Ballack-Hintern hinreißen, doch der tut so, als wäre er genau dort örtlich betäubt worden – keine Reaktion ist auch eine Reaktion. Dann laufen sie raus, Effenberg als letzter Wolfsburger, vorbei am Fotografenrudel mit den XXL-Objektiven, winken kurz ins effemäßig eher verhaltene Publikum, klatschen sich ab, ballen ein bisschen die Fäuste und fangen endlich an zu spielen. Der VfL Effenburg gegen den FC Ballack München.

Der Tabellenführer gewinnt 1:0, doch es ist ein merkwürdiges Spiel. Ein Duell, das nicht stattfindet. Angekündigt, hochgejazzt, doch dann haben die Revolverhelden nur Platzpatronen im Colt. Als sich nach ein paar Minuten die Pärchen gebildet haben, stehen Effenberg und Ballack mitten auf der Tanzfläche und gucken: Keiner mehr übrig. Bis auf wenige Momente schaffen es die Kontrahenten, 90 Minuten lang ohne Zweikampf auszukommen. Großflächig wird der Raum gedeckt; beide scheinen ein Waffenstillstandabkommen geschlossen zu haben: Lässt du mich spielen, lass ich dich spielen. Gespielt haben sie beide kaum: Ballack mal wieder eher enttäuschend, leichenblass im Vergleich zum aufgedrehten Ze Roberto. Und Effenberg? Der Tiger unter den Wölfen fuhr die Krallen nur selten aus, schien fast von einer Beißhemmung gegen das alte Herrchen FCB befallen zu sein. Dass das halbe Dutzend Wolfsburger Großchancen komplett ohne sein Zutun entstand, dass sein einziger Torschuss peinlich weit das Ziel verfehlte, ist das eine, aber dass sich der eigens zu diesem Behufe gekaufte Chef-Ärmelhochkrempler und Siegeswillen-Verbreiter gegen die sich eine Stunde lang ankündigende Niederlage kaum aufbäumte, nimmt wunder.

Aber er hat sich ja auch so einiges aufgeladen in Wolfsburg, mal abgesehen von den semifreiwilligen Presseauftritten zwischen den Spielen. Das fängt mit dem Anstoß an. Den ersten Ball vom Mittelkreis weg bekommt er, klar. Das erste Vollkontakt-Foul begeht er, nach drei Minuten, will sagen: Männer, Gas geben! Den ersten Szenenapplaus bekommt er, als er auf allen Vieren den Ball erkämpft. Logisch, dass er mit Keeper Reitmaier die Freistoßmauer stellt, dass er es ist, der nach dem 0:1 den Ball wieder zum Anstoßpunkt schleppt, dass er alle Ecken und Freistöße schießt, gern eher unkonventionell und überraschend – oft leider auch für die eigenen Leute.

Fünfter will er werden mit diesem Klub, der als größte Vereinserfolge bislang Bundesliga-Aufstieg (1997) und Teilnahme am Pokalfinale (1995) zu Buche stehen hat. Noch mal international spielen also. Nächsten Sommer wird er 35. Er wird noch ein bisschen weniger laufen, nicht mehr so viel grätschen, noch ein wenig mehr dirigieren, zusammenstauchen. Aber er wird wieder da sein. Gern auch gegen Bayern. Bis der Putz bröckelt.

Bayern München: Kahn – Salihamidzic (63. Robert Kovac), Kuffour, Linke, Lizarazu – Jeremies – Scholl (68. Feulner), Ballack, Ze Roberto – Santa Cruz, Elber (87. Pizarro) VfL Wolfsburg: Reitmaier – Sarpei, Franz, Biliskov, Rau (79. Maric) – Karhan, Effenberg, Munteanu (46. Präger) – Ponte, Klimowicz, Petrow Zuschauer: 44.000; Tor: 1:0 Santa Cruz (27.)

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