Demo ohne Bombe

Palästinenser vor Gericht: Er hatte seiner Tochter zur Anti-Israel-Demo einen Sprengstoffgürtel aus Pappe angelegt

BERLIN taz ■ Heute beginnt in Berlin der Prozess gegen einen 34-jährigen Palästinenser wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“. Mohammed El-R. hatte seinen drei Kindern Sprengstoffattrappen aus Pappe um den Leib gebunden und sie so auf einer propalästinensischen Demonstration im April herumgetragen. Die Staatsanwaltschaft wirft El-R. vor, mit den Bombenattrappen sein Einverständnis zu Selbstmordattentaten im Nahen Osten geäußert zu haben.

Der Angeklagte erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen die Polizei: Er sei im April ohne Beanstandung zum Versammlungsort gelassen worden, obwohl Polizisten ihn und seine Kinder vor der Demo untersucht hätten. Über die Bombenattrappen am Körper seiner sechsjährigen Tochter hätte ein Polizist nur gelächelt. Ein Sprecher der Berliner Polizei bezweifelte den Wahrheitsgehalt der Aussagen El-R.s.: Er höre zum ersten Mal von Personenkontrollen vor der Demo.

Die Fotos des in Deutschland nur geduldeten Mohammed El-R. mit seinen Kindern hatten bundesweit, aber auch international Empörung ausgelöst. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte, es sei „absolut unerträglich“, dass Kinder zur symbolischen Verherrlichung von Morden und zur Werbung für Terror missbraucht würden. Er forderte, dass die Möglichkeit genutzt werde, Ausländer auszuweisen, „die öffentlich zur Gewaltanwendung aufrufen“.

Im Gespräch mit der taz bedauerte El-R., dass er mit seinen Kindern so in der Öffentlichkeit aufgetreten sei. Er habe ihnen nicht schaden wollen. Der Auftritt mit den Attrappen sei ein „Aufschrei der Verzweiflung“ über das Leid seines Volkes gewesen. El-R. räumte ein, nicht genug über die Wirkung dieser Verkleidung nachgedacht zu haben. Es sei ihm klar geworden, dass die Menschen in seiner Heimat und hier anders dächten und fühlten, wenn sie solche Bilder sähen.

Wie der Politologe Thomas Scheffler, Mitarbeiter an der „Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients“ der Freien Universität Berlin und Experte auf dem Gebiet „Religion und Gewalt“, betonte, verurteile der Islam den Missbrauch von Kindern als „Märtyrer“ im Dschihad. Selbst islamische Theologen, die Selbstmordattentate befürworteten, lehnten solche Taten durch Minderjährige ab. Wenn Kinder bei Demonstrationen etwa mit Spielzeuggewehren drapiert würden, solle dies „eher erzieherischen Wert“ für die Kinder haben. PHILIPP GESSLER