Uns hat es gefallen

Am Wochenende fand zum elften Mal das Frauenmusikfestival „Wie es ihr gefällt“ statt. Einer der Höhepunkte: Der Auftritt von Les Reines Prochaines im Tacheles-Theatersaal

Mit wehenden Seidentüchern schwebten die fünf Schweizer Grazien ins Rampenlicht

Respekt, ach ja, Respekt. Musik von Frauen, ob klassisch, elektronisch oder experimentell, produziert am Rande des kommerziellen Pophimmels, ringt in der Öffentlichkeit noch immer um Ehrfurcht und gleichberechtigte Aufmerksamkeit. Dementsprechend engagiert setzten die Veranstalterinnen des internationalen Musikerinnenfestivals „Wie es ihr gefällt“ auch in diesem Jahr wieder alles daran, ein extravagantes Programm auf die gebrechlichen Beine zu stellen.

Erst Mitte September wurde die Förderung des dreitägigen Festivals vom Kultursenat erneut bewilligt, nachdem den musikalischen Grenzgängerinnen im letzten Jahr gänzlich der Unterhalt gestrichen wurde. Am Wochenende fand „Wie es ihr gefällt“ nun zum elften Mal statt, und da fragt sich, ob In-die-Jahre-kommen gleich Reife meint. Am Samstagabend schien es, als sei die Gleichung zumindest annähernd aufgegangen: Im Theaterraum des Tacheles versammelte sich eine ansehnliche heterogene Menge, um in gediegenem Festivalambiente drei völlig unterschiedliche Konzerte zu hören: zunächst die Afrikanerin Stella Chiwesche auf dem traditionellen Daumenklavier, dann Franziska Baumann, die Elektro-Fachfrau mit dem virtuosen Datenhandschuh. Und schließlich die ungekrönten Königinnen des dilettantischen Chanson-Pop, die schweizerische Frauenband Les Reines Prochaines. Das Ziel des Abends war es, musikalische Frauenpower cool zu präsentieren, ohne dabei in die High-Heels von Destinys Child zu schlüpfen. Gewiss, als experimentierfreudige Musikerin mag man es noch immer schwer haben auf der Bühne, als ZuhörerIn hatte man es zunächst allerdings auch nicht leicht. Eindringlich wurde darum gebeten, während Franziska Baumanns Performance das Rauchen zu unterlassen. Eine Forderung, die im Saal zumindest respektvoll aufgenommen wurde. Ganz zu schweigen vom späteren Ereignis selbst: Ausgestattet mit einem durch Sensoren bestückten Handschuh und bis unter die Decke verkabelt, versuchte die feinfühlige Vokalistin jede Bewegung ihres Körpers organisch für ihre Klang- und Stimmforschung zu nutzen.

Was höchst technisch aussah, entpuppte sich schnell als akustisches Naturhörspiel. Die Klänge, die Baumann selbst und mit ihrem virtuosen Datenhandschuh produzierte, glichen mitunter denen eines sterbenden Schwans. Ihre Stimme kämpfte, verzweifelt suchte sie nach dem perfekten Ton. Das nervte auf Dauer, bis die sichtlich mitgenommene Künstlerin nach 40 Minuten zur allgemeinen Erleichterung ohne Zugabe die Bühne räumte. Danach konnten Les Reines Prochaines nur noch triumphieren. Ein Königreich für einen Beat mochte man ihnen nach über zweistündigem Meditationsprogramm opfern. Und siehe da: Das Herz ging einem auf, als die fünf schweizerischen Grazien der Reihe nach mit wehenden Seidentüchern ins Rampenlicht schwebten. Von dort aus nahmen sie uns mit in ihre Welt der kreativen Chaostheorie, die mit disharmonischen Attacken auf Trommel- und Zwerchfell Dekonstruktion betreibt an abgenutzten Klischees und Rollenbildern. Sämtliche Schlachtrufe, die die majestätischen Aktivistinnen mitunter von der Bühne schmetterten, waren gleich Frontalangriffe (post-)feministischer Topoi und ebenso Provokation wie unterhaltsames Programm.

Überhaupt wirkten Les Reines Prochaines an diesem Abend wie eine professionell agierende Girlgroup. In ihren glitzernden bis knappen Outfits spielten alle Königinnen alles: Saxofon, Klarinette, Posaune, Bass, Akkordeon und Schlagzeug. Man übte sich in schwesterlicher Gleichberechtigung statt in Konkurrenzkampf und kombinierte dilettantische Kunststücke mit witzigen Gedichten, in denen der feministische Freiheitskampf und andere Sorgen nicht sprachgewaltig abgehandelt, sondern auf liebenswürdige Weise umarmt und funky in die Zukunft zurückgeholt wurde.

Auch wenn auf der Bühne nur Frauen ihr bezauberndes Unwesen treiben durften, im Publikum sah das erfreulicherweise ganz anders aus. Allein: Gegenöffentlichkeit belebt das Geschäft. Das Festival hat sich etabliert. Und es verdient wegen der Klasse und Einzigartigkeit der Musikerinnen längst mehr als nur höflichen Respekt.                   PAMELA JAHN