Warten auf die freie Welle

Seit Februar kämpft die Initiative „Radiokampagne“ für ein Freies Radio in Berlin. Eine Frequenz gibt es immer noch nicht. Obwohl die SPD-PDS-Koalition die Förderung für „wünschenswert“ hält

von SUSANNE LANG

Im Grunde alles nur eine Frage der Energie: Jens Gröger zeigt auf die kleine Leiterplatte vor ihm auf dem Werkstatttisch und fährt die Bahnen eines Schaltkreises nach. „Man nimmt die Platine, setzt die Bauteile rein und lötet ungefähr 20 Minuten“, erklärt er. Und fertig ist der eigene Radiosender. Ein kleines Plättchen mit Leitern und Kabeln, das Töne in Frequenzen nach draußen sendet, sozusagen ein kleiner Fernsehturm für den Hausgebrauch. Mit Grögers Sendern, die er im Rahmen des Workshops „Senderbau“ beim Radiofestival der Initiative „Radiokampagne“ am vergangenen Wochenende zusammenbastelte, könnte man bis ins Nachbarzimmer senden. „Radio ist so eine einfache Technik“, schwärmt Gröger. Einfach und auch deshalb ein attraktives Medium für die „Radiokampagne“. Die Initiative kämpft seit Februar für einen freien, nicht kommerziellen Radiokanal in der Hauptstadt, mit einer eigenen terrestrischen UKW-Frequenz und einem 24-stündigen Programm.

Denn Freies Radio soll nicht nur von jedem machbar sein, es soll auch von jedem empfangen werden können. Vielfalt und Hörbarkeit, das sind die Ansprüche der Initiative an ihr Freies Radio. „Und zwar jenseits von Zielgruppenideologie“, wie im Strukturpapier der Radiokampagne festgehalten ist. Seit fast sechs Jahren versuchen verschiedene Initiativen wie auch „PI-Radio“, das aus dem ehemaligen Piratenfunk „Sender P“ hervorgegangen ist, eine Frequenz zu erwirken. Angesichts der bestehenden Radiolandschaft sei eine Alternative zum „gleichgeschalteten Dudelfunk“ immer nötiger, so Steffen Pachali von der Radiokampagne. „Sehr viele Leute wollen genau dieses unabhängige Radio hören.“ Ein Radio, das die vielfältige Kultur der Stadt akustisch repräsentieren soll. „Berlin ist gerade im musikalischen Bereich eine der interessantesten Städte“, so Pachali. Nicht nur von den anderen Sendern „diskriminierte“ Musik wie etwa Punk sollen ein Recht auf Öffentlichkeit bekommen, auch politische und soziale Themen, die im Mainstreamradio untern Sendetisch fallen.

Dass es trotz des großen Interesses noch immer keine UKW-Frequenz gibt, hat politische und finanzielle Ursachen. Zwar ist sich die Berliner Koalition aus SPD und PDS einig, dass „nichtkommerzieller Lokalfunk in der Region die Medienlanschaft bereichern kann“, und hält laut Koalitionsvertrag eine Förderung für „wünschenswert“. Wie diese Förderung aussehen soll und woher die Mittel für ein Freies Radio fließen sollen, ist immer noch ungeklärt.

Zwischen 150.000 und 300.000 Euro seien jährlich notwendig, um den Sender zu betreiben, wie Pachali schätzt. Von rund eineinhalb Millionen Euro jährlich geht dagegen die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) aus. Sie wäre gemäß dem Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer für die Finanzierung zuständig. Bisher sieht sie sich jedoch nicht in der Verantwortung. „Die Politik muss die Prioritäten setzen“, so Ingeborg Zahrnt, Justitiarin der MABB. „Wenn sie freies Radio als klaren Förderungszweck festschreibt, könnte ein Teil der Rundfunkgebühren dafür eingesetzt werden.“ Förderzwecke im neuen Staatsvertrag des fusionierten Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) seien momentan jedoch andere Projekte wie etwa Hörspiele oder Filme. Frank Zimmermann, medienpolitischer Sprecher der SPD, hält die Rechtsgrundlagen hingegen für ausreichend. Die Forderung der Radiokampagne nach einer Gesetzesänderung sei längst erfüllt, so Zimmermann. Die Möglichkeit für ein Freies Radio bestehe und sei von der Regierung auch klar gewünscht, sagt der Medienexperte. Auch der Koalitionspartner betont den guten Vorsatz. „Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt und werden das Projekt auf die Tagesordnung des nächsten medienpolitischen Ausschusses bringen“, so die Ausschussvorsitzende Martina Michels (PDS).

Konkrete Förderkonzepte kann die Koalition bisher jedoch nicht vorlegen. Nach Ansicht der Opposition schiebe die Koalition das Projekt „Freies Radio“ bewusst auf die lange Bank. „Das Parlament müsste eine politische Willenserklärung beschließen und der Medienanstalt zur Umsetzung übergeben“, fordert Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Nachdem die Projekte „Digitales Fernsehen“ und „Senderfusion RBB“ abgeschlossen sind, möchte sie die Freien Radios auf die Agenda setzen und einen entsprechenden Antrag im Parlament einbringen.

Eine ganz einfache andere Lösung hält Jens Gröger in den Händen: den kleinen Sender. „Wenn es keine Frequenz gibt, dann senden wir eben als Piraten“, sagt er. Es wäre zwar die ungewünschte Alternative, denn Transparenz hält der Radiomacher für eine große Qualität von Freien Radios. Aber: „Wir können auch anders.“ Im Grunde doch nur eine Frage des Geldes.