Das Opfer trug nur die falsche Hose

In brandenburgischer Jauchegrube wurde die Leiche eines 17-Jährigen entdeckt. Rechtsextreme töteten ihn, weil sie sein Aussehen störte

von JEANNETTE GODDAR

Hätten die Täter nicht das Prahlen angefangen, wäre der grausige Mord an einem Jugendlichen, den man für „links“ hielt, womöglich für immer unentdeckt geblieben. Weil aber einer seinen Mund nicht halten konnte, machte sich die Polizei auf den Weg zu einer ehemaligen Stallanlage in der nordostbrandenburgischen Uckermark. Dort zogen die Beamten gestern Vormittag das Skelett des 17-jährigen Marinus S. aus einer Jauchegrube. Der Junge galt seit Juli als vermisst.

Nach Erkenntnissen des zuständigen Neuruppiner Oberstaatsanwalts Gerd Schnittcher steht ein rechtsradikales Motiv für das Tötungsdelikt außer Zweifel. Zwei der drei Täter waren gestern Nachmittag bereits vernommen worden und sind offenbar geständig. Heute sollen alle drei Beschuldigten dem Haftrichter vorgeführt werden.

Die menschenverachtende Tat hat sich nach Angaben Schnittchers in etwa so zugetragen: Am Abend des 12. Juli saß der 17-Jährige Marinus S. mit einer Gruppe Jugendlicher in einer Wohnung in Potzlow. Dort kam es zu einem Streit, der sich offenbar vor allem an dem vermeintlich „linken“ Aussehen des Jungen entzündete, der mit einer „Hip-Hopper-Hose“ und blond gefärbten Haaren unterwegs war. Zunächst wurde er von zwei Brüdern im Alter von 17 und 23 Jahren sowie einem weiteren 17-Jährigen unter anderem als „Jude“ beschimpft und anschließend zusammengeschlagen.

Das reichte den Tätern, unter denen zwei polizeibekannte Rechtsextreme sind, aber nicht. Weil man „wohl noch mal richtig zuschlagen wollte“, sagte Schnittcher der taz, hätten sie das Opfer „unter Zwang“ auf das verlassene Stallgelände in Potzlow-Seehausen verschleppt. Dort haben sie den 17-Jährigen so lange gequält, bis er tot war oder sich zumindest nicht mehr rührte. Am Ende warfen sie den leblosen Körper in die Jauche und machten sich auf den Heimweg. Um weitere Schlüsse darauf ziehen zu können, was man dem Jungen angetan hat, werden seine Überreste nun obduziert.

Wie es im Detail zu der Tat gekommen ist, wer wann was gesagt hat und in welchem Verhältnis Täter und Opfer zueinander standen, liegt zwar noch im Dunkeln. Dass es sich um eine rechtsextreme Tat handle, sei aber eindeutig, so Schnittcher. Offenbar habe man es mit einer jener Situationen zu tun gehabt, in der die Toleranz gegenüber allem „anders“ Gearteten mit steigendem Alkoholpegel immer weiter absinke. „Die Tatsache, dass der Junge die falsche Hose anhatte, hat offenbar gereicht, um ihn abzulehnen“, sagte Schnittcher gestern. „Es ist erscheckend, welche Nichtigkeiten zu was für Taten führen können.“

Bekannt geworden ist die Tat nur, weil einer der beiden 17-jährigen Täter vor einigen Tagen anfing, im Bekanntenkreis davon zu erzählen. Dort glaubte man ihm zunächst nicht und machte sich zwecks Überprüfung der Geschichte zu der Jauchegrube auf. Als die ebenfalls jugendlichen Bekannten dort auf menschliche Knochen stießen, riefen sie die Polizei. Über die genaue Anklage ist noch nicht entschieden. Vermutlich droht den Jugendlichen aber der Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes – vorsätzlich, heimtückisch, aus niederen Beweggründen.

Die beiden Jüngeren wurden gestern in das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) in Polizeihaft gebracht. Der 23-Jährige sitzt schon seit August im Gefängnis in Neuruppin-Wulkow. Am 17. August, also etwa einen Monat nach dem Tod des 17-Jährigen, hat er in Prenzlau einen Asylbewerber brutal verprügelt und wurde kurze Zeit darauf festgenommen. Vor drei Wochen wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.