Die Lehrer sind schuld

Hirnforscher Gerhard Roth verteidigt lustvoll seine Pädagogen-Kritik auf dem neuen Streitforum von Wittheit und Unifreunden – gegen einen Schulleiter, der die bösen externen Umstände beklagt

„Lernen muss dem Gehirn als positive, lustvolle Tätigkeit erscheinen“

Es ging erfreulich ungewöhnlich zu im Plenarsaal der Bremischen Bürgerschaft: vollbesetzte Ränge, knappe Reden, knackige Thesen, gebanntes Lauschen, gesitteter, aber polemischer Austausch von Argumenten. Die Streitkultur stimmte am Montagabend bei der Premiere einer neuen, von Wittheit und Unifreunden ins Leben gerufenen Veranstaltungsreihe. Mit vier bis fünf „Pro-und-Kontra-Debatten“ im Jahr wolle man künftig Bremen „als City of Science spannungsreiche Akzente hinzufügen“, hatten die Organisatoren – gespreizt formuliert – angekündigt.

Gerhard Roth, Hirnforscher und Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs, stritt bei der Premiere mit Jürgen Fiedler, dem Direktor des Ökumenischen Gymnasiums Bremen, darüber, ob Schule das Lernen vermiese. In aller Regel sei das so, hob Roth an und zählte Faktoren auf, die Schülern das Leben schwer machten. So müsse „Lernen dem Gehirn als positive, lustvolle Tätigkeit erscheinen“ – genau das sei aber meist nicht der Fall. Zensuren müssten „nachvollziehbar sein und subjektiv als gerecht empfunden werden“, „ruhige Konsolidierungsphasen“ wiederum seien unabdingbar, um Lernerfolge nicht zunichte zu machen. An was es aber vor allem mangele, sei die „Vertrauenswürdigkeit der Lehrer“. Kämen die ängstlich, arrogant oder unkommunikativ rüber, frage sich ein Schülergehirn: „Warum soll ich ausgerechnet dem glauben?“ Das „Abchecken“ der Lehrer durch Schüler laufe unbewusst und in Sekundenbruchteilen ab. Ob ein Lehrer vertrauenswürdig wirke, hänge von seinem Blick ebenso ab, wie von Gestik, Körperhaltung und Stimme.

Das letzte Argument brachte Jürgen Fiedler auf die Palme: „Vom Lehrer wird ein rationaler Zugriff auf das unbewusst Ablaufende erwartet, das geht nicht.“ Erziehung sei ein Ergebnis personaler Beziehungen und vielschichtiger, „als es Experimente mit Laborratten zeigen können“, hielt der Mathematiker dem Hirnforscher polemisch entgegen. Lehrer seien „kluge Menschen“ mit „hervorragender Ausbildung“. Nicht die Schule vermiese Schülern das Lernen, sondern „die Umstände der Schule vermiesen Lehrern das Lehren“, gab der Rektor den schwarzen Peter weiter. Fiedler jammerte über die deutsche „Jammergesellschaft“, beklagte die Politisierung der Pädagogik, „absurde Eingriffe“ der Bürokratie, fehlenden Wettbewerb zwischen den Schulen und mangelnden Respekt vor der Schule. Es sei abenteuerlich, wenn von internen Kräften erwartet werde, „extern gesteuerte Demotivationsprozesse zu korrigieren“. Markus Jox