AUS FURCHT VOR TERROR LASSEN US-BÜRGER DIE EROSION IHRER RECHTE ZU
: Geschicktes Spiel mit der Angst

Fast wöchentlich erreichen den US-Bürger neue Hiobsbotschaften. Einst geschützte persönliche Daten von Kreditkarten und Flugbuchungen sollen nun erfasst, einst illegale Abhörtechniken bei der Jagd auf Terroristen erlaubt werden. Nun droht noch nicht die Abschaffung des Rechtsstaates USA, doch systematisch werden lang verbriefte Grundrechte beschnitten. Polizei und Geheimdienste erhalten ständig erweiterte Befugnisse. Nichts scheint vor dem Auge und Ohr staatlicher Schnüffler mehr sicher. Im Land der Freiheit verengt sich zunehmend der private Freiraum des Einzelnen – Big Brother lässt grüßen.

Die Überraschung: Es regt sich kaum Widerstand. Sieht man einmal ab von den üblich verdächtigen Bürgerrechtlern, die dies schon von Berufs wegen tun müssen. Was ist los mit den wilden Cowboys und Jeepfahrern, die sofort auf die Barrikaden gehen, wenn ihnen einer ihre Schießeisen wegnehmen will? Noch im Frühjahr, als das Justizministerium ein riesiges Programm „Spitzel im Nebenberuf“ ankündigte, gab es lauten öffentlichen Protest – das Projekt wurde eingestampft. Das lag aber daran, dass der Eingriff in die Privatsphäre konkret geworden wäre. Keine Hausfrau wollte, dass der Klempner berechtigt ist, neben dem Klo auch noch Kleiderschränke zu untersuchen. Weniger Bedenken hat man aber offenbar, wenn es um geheime und abstrakte Überwachungsmethoden der Ermittlungsbehörden geht. Das Desinteresse vieler Amerikaner an ihrer Regierung leistet der Grundrechte-Erosion zudem noch Vorschub.

Zudem spielt die US-Regierung geschickt mit der Angst. Sie weiß, dass die Menschen – tief verunsichert – weitere Terroranschläge fürchten. Darum nährt sie dieses Gefühl, indem sie täglich diffuse Anschlagswarnungen verbreitet. Einer verängstigten Bevölkerung ist bequemer zu vermitteln, dass ihre Rechte einem höheren Ziel geopfert werden: der nationalen Sicherheit. Wer wird da schon jammern, wenn sein Telefon ein bisschen abgehört wird. Die Terroristen müssen gar keine Bomben mehr zünden, sie haben ihr Ziel bereits jetzt erreicht. MICHAEL STRECK