Gegenseitige Wertschätzung

Acht MusikerInnen aus Improvisation und Komposition interagieren spielerisch unter besonderer Berücksichtigung des Publikums: Das 9. „Real Time Music Meeting“

Sie erfüllen alle Anforderungen: internationale Mobilität, jahrelange praktische Erfahrung, Eigeninitiative und die notwendige Flexibilität, sich ergebnisorientiert an äußere Bedingungen anzupassen. Dennoch zählen die Selbständigen, von denen hier die Rede ist, nicht zu den Rollenmodellen des neuen Arbeitsmarktes. Denn sie sind MusikerInnnen. Improvisierende MusikerInnen noch dazu. Sie werden nicht in Talkshows oder Kommissionen eingeladen, obwohl sie sicher einiges zu den aktuellen Spardiskussionen beizutragen hätten. In ihren Konzerten erweisen sie sich andererseits auch nicht als neoliberale Konkurrenzkämpfer, und ihre Musik entwickelt sich eher als Alternative im sichtbaren Prozess der hierarchiefreien Kommunikation.

Zum Beispiel am Wochenende in Altona, wenn sich acht MusikerInnen aus der internationalen Free-Music-Szene zur 9. Ausgabe des „Real Time Music Meeting“ im Monsun Theater einfinden.

Das Konzept des Meetings ist so schlicht wie überzeugend: an zwei Abenden wird in wechselnden Besetzungen vom Duett bis zum großen Finale aller Beteiligten miteinander improvisiert. Die Ausgangsbedingungen für die Konzerte beruhen nicht auf Noten, Proben oder Absprachen, sondern sind von den spontanen Beiträgen der beteiligten Personen bestimmt. Die Trompeterin Birgit Ulher, die seit 25 Jahren in ganz Europa improvisierte Musik spielt, hat deshalb wiederum KollegInnen eingeladen, deren Aufeinandertreffen interessante Begegnungen erwarten lassen.

Die Zusammensetzung ist ausgewogen, vier Frauen und vier Männer, vier KünstlerInnen aus dem europäischen Ausland, vier MusikerInnen mit einem Hintergrund in der bildenden Kunst und vier zwischen Theatermusik, Jazz und Kammermusik treffen hier aufeinander. Dass die Hälfte der Beteiligten auch selbst komponiert, ist nicht weiter verwunderlich, im Gegenteil: Gerade beim improvisatorischen Spiel sind kompositorische Entscheidungen gefragt – eben „in Echtzeit“.

Neben den herkömmlichen Instrumenten Bass, Tuba, Schlagzeug, Violine und Trompete entfalten manche der KünstlerInnen erst im Zusammenspiel mit Klangelektronik und Verstärkung ihren Klang und spezifische Spielarten. Die Gitarristin Annette Krebs nutzt Mikrofone als akustische Lupen für feinste Strukturen, Agnès Palier verändert den Klang ihrer Stimme im spielerischen Experiment mit Effektgeräten, und Claus van Bebber hat sich zum Instrument seiner Improvisationen den Plattenspieler gewählt, auf den ersten Blick eine eher unflexible Gerätschaft.

Freitag- und Samstagabend, jeweils um 20 Uhr werden die acht ImprovisatorInnen im Saal des Monsun Theaters zum Real Time Music Meeting mit dem Publikum zusammenkommen. Den ZuhörerInnen kommt dabei mehr als die Rolle bloßer RezipientInnen zu: Hier ist eine Kunstform zu erleben, die in der Wertschätzung des Aufeinander–Hörens und Miteinander–Agierens nicht nur musikalisch zur Avantgarde zählt, sondern auch positives Modell für das Zusammenleben von Menschen sein könnte.

Tobias Richtsteig

Freitag + Sonnabend, jeweils 20 Uhr, Monsun Theater