Melancholie und Humor

Real Country Music und dabei doch eigenständig: Die Hamburger Band „Cow“ spielt heute im Fundbureau und stellt ihr neues Album „Feeding Time“ vor

In einigen Stücken konnte sich sogar die anwesende Tierwelt verewigen

von MATTHIAS SEEBERG

Cow machen Musik, die, um einen Satz von Kinky Friedman zu variieren, van Gogh komponiert hätte, wenn er in Texas aufgewachsen wäre und Pferde gezüchtet hätte, anstatt sich ein Ohr abzuschnippeln. Ein bisschen Folk, ein wenig Glamrock, doch im Wesentlichen einem Stil verpflichtet, den man wohl Real Country Music nennen muss. Pedal Steel, Fiddel, vierstimmiger Gesang und Yodel-Einlagen – all das ist auf ihrem neuen Album Feeding Time zu hören, dass die Hamburger Band heute Abend im Fundbureau vorstellen wird.

Drei Jahre ist es mittlerweile her, dass Peta Devlin (Die Braut Haut ins Auge), Thomas Wenzel (Die Sterne), Ekki Heins und Thomas Butteweg (Incredible Sinalco Bums) aufgrund ihres gemeinsamen Faibles für die Musik der Hillbillys eine Band gründeten und unter anderem Deutschlands selbst ernannten Country-Doyen Franz Dobler auf seinen Lesereisen begleiteten.

Weit entfernt von den unerträglich patriotischen Hymnen eines Garth Brooks und den düsteren theologischen Traktaten des alten Johnny Cash, ist es Cow mit Feeding Time gelungen, die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten von Country Music in 13 großartigen Songs zu bündeln. Die Einflüsse, die von Emmylou Harris und Doc Watson bis zu Gram Parsons und der Carter Family reichen, sind unüberhörbar, doch sie sind in eine Atmosphäre eingebettet, die Feeding Time das Prädikat der Besonderheit verleiht. Cow haben die Platte innerhalb von 14 Tagen in und um ein Haus in der Dithmarscher Natur aufgenommen und sich damit neben der für Country idealen Situation einen einzigartigen experimentellen Rahmen geschaffen.

Christian Mevs, der Produzent des Albums, ließ Sängerin Peta Devlin einige Stücke auf dem Dach des Hauses singen und Ekki Heins mit seiner Violine passend zum Titel „Will the Circle Be Unbroken“ bei der Aufnahme rund ums Haus laufen. Die Mikrofone waren teilweise 50 Meter vom Haus entfernt, so dass sich in einigen Stücken sogar die anwesende Tierwelt verewigen konnte. Das Ganze mag ein wenig an Music from Big Pink von The Band erinnern, das seinerzeit in deren rosafarbenem Haus in Woodstock aufgenommen wurde, aber das Gurren eines Rebhuhns gab es da nicht.

Neben der fesselnden Stimme Peta Devlins und dem warmen Steelguitar-Sound von Thomas Wenzel sind es die Texte der Songs, die zum ständigen Wiederhören der Platte auffordern. Mit einem Gestus, der Melancholie und Humor verbindet, bedienen sie sich zahlreicher Motive aus der Countrytradition, die jedoch mitunter eine eigenwillige Interpretation erfahren. Das zum Squaredance auffordernde „Selling What She Used to Give Away“ besticht durch seinen inhaltlichen Kontrast zum größtenteils von Männerthemen dominierten Countrygenre. Der Song erzählt vom gescheiterten Kampf einer Frau und liefert eine gezielt kritische Bestandsaufnahme dessen, was aus den einstigen feministischen Forderungen geworden ist.

Ein das ganze Album prägendes Thema ist das Unterwegssein, die Suche nach einem Zuhause, auch wenn man nie genau weiß, wo das eigentlich ist. Das Leben erscheint als ein im Grunde ständiges „Travelling the Long Road Home“. Das Stück „No Name Train“, das schon wegen des Titels Assoziationen zu Jack Londons Abenteuer auf dem Schienenstrang und den Legenden und Mythen der Hobos auf den Plan ruft, besitzt sogar einen entsprechend konkreten Hintergrund. Ekki Heins, der das Stück geschrieben hat, arbeitet nämlich als Schlafwagenbetreuer bei der Deutschen Bahn. Und auf einer der endlosen Fahrten durch die Nacht fiel ihm auf, dass in einer Zeit, in der die Züge statt Namen lediglich Nummern besitzen, selbst das Reisen seinen Reiz zu verlieren beginnt.

„Country Music is a Life And It Kicks Every Night“ heißt es in einem Song von Dale Watson, und schon deshalb sollte man sich den heutigen Abend mit Cow nicht durch die Lappen gehen lassen.

Do, 21 Uhr, Fundbureau