off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Der Name Robert Wienes ist vor allem mit dem deutschen Expressionismus-Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920) verbunden, obwohl der in Dresden geborene Regisseur gegenüber den eigentlichen „Autoren“ des Films, den Malern und Architekten Warm, Reimann und Röhrig, nur die eher technisch definierte Rolle des Inszenators spielte. Auch wenn Wiene nicht unbedingt ein Genie vom Schlage Murnaus oder Langs war, zeigte er doch in anderen Regiearbeiten seine Fähigkeit, das Unheimliche kompetent und stimmungsvoll zu gestalten.

Zu seinen interessantesten Werken gehört der 1924 in Österreich entstandene Film „Orlac’s Hände“ (der Apostroph ist zwar falsch, aber so steht es im Vorspann), ein psychologischer „Horror“-Film um einen berühmten Pianisten (Conrad Veidt), der bei einem Eisenbahnunglück beide Hände verliert. Ein Chirurg transplantiert ihm die Hände eines hingerichteten (vermeintlichen) Raubmörders und löst damit bei Orlac eine Psychose aus. Denn während der Professor noch meint, es sei schließlich der Verstand, der die Hände regiert, stellt sich die Sache für den Pianisten umgekehrt dar: Er fühlt, wie seine Händen nach Verbrechen gieren und es aus ihnen „kalt und unerbittlich“ zur Seele „emporsteigt“.

Eindrucksvoll expressiv gestaltet Conrad Veidt die Rolle des seelisch Zerrissenen, der sich in Wahnvorstellungen hineinsteigert, die zudem suggestiv von einem Erpresser unterstützt werden, der Orlacs Qual zum eigenen materiellen Vorteil ausnutzen will. Die Inszenierung und die Bildgestaltung unterstützen kongenial das Düster-Unheimliche der Geschichte (und kaschieren gleichzeitig geschickt, dass man wohl nicht allzu viel Geld für aufwändige Kulissen hatte): Das Eisenbahnunglück ist ein wunderbares Wechselspiel aus verschwommenen Konturen, viel Rauch und gleißenden Lichtquellen; das Auto mit dem Schwerverletzten fährt in einer Totale im fahlen Gegenlicht des Morgengrauens auf einer Allee entlang; Orlacs Vater, der sich hartherzig weigert, die Familie seines Sohnes finanziell zu unterstützen, sitzt in einem fast kahlen Zimmer auf einem vollkommen überdimensionierten Lehnstuhl wie auf einem Thron. Sehr interessant – trotz eines nahezu märchenhaften Happyends.

„Orlac’s Hände“, 24. 11. im Filmkunsthaus Babylon 1

Während der technisch-medizinische Aspekt der Transplantation in „Orlac’s Hände“ keine Rolle spielt, geht es gut zehn Jahre später in „Frankensteins Braut“ schon ganz anders zur Sache: Die Arbeit der Herren Frankenstein (Colin Clive) und Praetorius (Ernest Thesiger), die in gespenstischen Landschaften, finsteren Grüften und bizarren Laboratorien ihren nicht weniger finsteren und bizarren Tätigkeiten nachgehen, um für das Monster (Boris Karloff) eine Gefährtin (Elsa Lanchester) aus Leichenteilen zu basteln, macht ja gerade den Spaß an dem 1935 vom britischen Regisseur James Whale inszenierten Monster-Klassiker aus. Neben der ungeheuren Dynamik der Laboratoriumsszenen und den von reichlich makabrem Humor geprägten Vorgängen um den mad scientist Dr. Praetorius besticht – wie immer – der geniale Karloff, der dem Monster ganz rührend kindliche Züge verleiht und deshalb in einer der pastoralsten Sequenzen des Horrorfilms für einige wenige glückliche Momente in einem blinden Einsiedler einen wahren Freund findet.

„Frankensteins Braut – The Bride of Frankenstein“, 21. 11.–27. 11. im Klick

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Um die traditionelle chinesische Kochkunst kreist die Gesellschaftskomödie „Eat Drink Man Woman“ des taiwanesischen Regisseurs Ang Lee. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist die Pflicht dreier Töchter, jeden Sonntagabend zum Essen bei ihrem Vater, einem alten Koch, erscheinen zu müssen. Zwar würden sich die Frauen oftmals gerne drücken, doch nur am Esstisch wird in der Familie tatsächlich noch kommuniziert. Und so kommen neben den fantastisch aussehenden Gerichten auch gut gehütete Geheimnisse auf den Tisch und verleihen der Story immer neue überraschende Wendungen, die der Film mit sehr trockenem Witz erzählt.

„Eat Drink Man Woman“ (OmU), 21. 11.–23. 11., 25. 11.–26. 11. im Bali

LARS PENNING