V-Mann angeklagt

Der Verfassungsschutz hat umtriebige Informanten bei den Rechten. Zuträger wird Volksverhetzung vorgeworfen

BERLIN taz ■ Jahrelang galt Mirko H. aus Sebnitz als Tausendsassa unter deutschen Neonazimusikproduzenten. Er betrieb den Musikhandel „H.A. Records“, trat als Verleger der Propagandapostille „Hass Attacke“ auf und organisierte mit den „Hammerskins“ eine rechte Schlägertruppe. Heute muss sich H. vor dem Landgericht Dresden wegen Volksverhetzung verantworten.

Das Verfahren ist auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Problem – denn Mirko H. diente ihm über Jahre als Informant, als V-Mann. Vom Freistaat Sachsen erhielt der 27-Jährige sogar 7.000 Euro Existenzgründerhilfe, um seinen rechtsextremen Musikhandel „H.A. Records“ auf Erfolgskurs zu bringen. Dem Vertrieb neonazistischer Hassmusik, die dem Bundesamt immerhin als Einstiegsdroge in die rechte Szene gilt, widmete sich der V-Mann mit erheblichem finanziellem Gewinn. 105.000 Euro soll der gelernte Zimmermann daran verdient haben.

Gegen den V-Mann wird in Dresden auch wegen Körperverletzung verhandelt. Zudem wirft ihm die Anklage vor, an der Produktion und dem Vertrieb der CD „Noten des Hasses“ der Neonaziband White Aryan Rebels beteiligt gewesen zu sein.

Mirko H. ist kein Einzeltäter. Am Vertrieb der „Noten des Hasses“ war auch Toni S. beteiligt – ein V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes. Toni S. war bei der Verbreitung der vertonten Mordaufrufe aktiv und wurde dafür Anfang November vom Landgericht Berlin zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Während das Kölner Bundesamt beharrlich dazu schweigt, wie es zu den strafrechtlich relevanten Aktivitäten seines Informanten kam und welche davon mit dem V-Mann-Führer abgesprochen waren, räumt Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin immerhin ein, der Einsatz von Toni S. sei „kein voller Erfolg“ gewesen. Auch wenn er „eine wichtige Quelle“ war.

Den von Berliner Sicherheitsbehörden erhobenen Vorwurf, zumindestens der V-Mann-Führer von Toni S. hätte dessen strafbewehrtes Treiben erkennen und die „Quelle“ abschalten müssen, hält Wegesin jedoch für abwegig. Toni S. habe seinen Auftraggeber hintergangen, lautet die Erklärung des VS-Chefs. Auf V-Leute verzichten will Wegesin jedenfalls auch in Zukunft nicht. Dabei droht den skandalgeplagten Potsdamer Schlapphüten Anfang Dezember schon der nächste V-Mann-Prozess. Carsten Sz., V-Mann-Deckname „Piato“, soll sich an einem Waffendeal unter rechten Kameraden beteiligt haben. Die wollten mit den Waffen gegen Linke vorgehen.

Über die Frage, ob und in welchem Umfang Straftaten von V-Männern rechtlich zulässig sind, streiten derzeit nicht nur in Brandenburg Anklagebehörden und Geheimdienstler. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat jetzt Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) schriftlich gebeten, für Klarheit zu sorgen. HEIKE KLEFFNER