Die Elite probt den Aufstand

Konservative Medien rufen zum Widerstand gegen die rot-grüne Regierung auf. Unbeeindruckt davon beschloss das Bundeskabinett den Haushalt 2003 sowie den Nachtragshaushalt 2002

BERLIN taz ■ Geht es nach dem Finanzminister, dann wird die Revolution erst einmal verschoben. Ohne jede Erschütterung beschloss das Bundeskabinett gestern den Nachtragshaushalt mit einem Rekorddefizit von 34,6 Milliarden Euro, und gleich danach kündigte Hans Eichel (SPD) den großen Umsturz für nächstes Jahr an. „Gewaltige Reformen“ im Sozialsystem sollen Deutschland „für den demografischen Faktor fit machen“ und die Neuverschuldung im Haushalt 2003, den die Regierung ebenfalls beschloss, unter die 3-Prozent-Marke drücken.

So lange wollen die Opposition und ein Teil der Medien allerdings nicht warten. Der CDU/CSU-Fraktionsvize Friedrich Merz konstatierte den „Niedergang unseres Landes“, und der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann geißelte den „Steuerterror gegen die Bürger“. Die Bild-Zeitung gab auf ihrer ganzen ersten Seite empörten Bürgern das Wort: „Kanzler, uns reicht’s!“ Außerdem zitierte das Blatt ausführlich den Publizisten Arnulf Baring, der am Vortag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu einem „Aufstand gegen das erstarrte Parteiensystem“ aufgerufen hatte. „So wie bisher geht es auf keinen Fall weiter“, erklärte Baring, „ein massenhafter Steuerboykott, passiver und aktiver Widerstand, empörte Revolten liegen in der Luft.“ Mit Barings Gastbeitrag setzte das Feuilleton der FAZ seinen „Aufruf zur Revolte“ fort, mit dem das Blatt bereits seit voriger Woche zum Widerstand gegen den „Räuberstaat“ ermuntert.

Auch die Debatte um einen umstrittenen Vergleich des früheren Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine (SPD) sorgte weiter für Wirbel. Der heutige Amtsinhaber Eichel verwahrte sich gegen einen Bild-Artikel, in dem Lafontaine Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit dem früheren Reichskanzler Heinrich Brüning verglichen hatte. Eichel betonte, die Bundesregierung erhöhe die Investitionen, steigere Bildungsausgaben und greife nur dort ein, wo es konjunkturell nicht schädlich sei. „Das ist alles andere als Brüning.“ Lafontaine hatte in seinem Beitrag darauf hingewiesen, dass Brüning in der Weimarer Republik „mit seiner Sparpolitik Massenarbeitslosigkeit verursachte und Hitler den Weg bereitete“. RAB

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