Streit ums Abitur

Knackpunkt Nummer eins: die Reform der gymnasialen Oberstufe mit Schulzeitverkürzung und Zentralabitur

Sein Vorhaben hat er bereits im Juni verkündet. Als Berlin noch im Pisa-Schock taumelte, kündigte Bildungssenator Klaus Böger (SPD) öffentlichkeitswirksam die Reform der gymnasialen Oberstufe an. Was zuvor als konservatives Teufelszeug galt, soll auch im rot-rot regierten Berlin Wirklichkeit werden: Böger will die Schulzeit bis zum Abitur auf zwölfeinhalb Jahre verkürzen und gleichzeitig das Zentralabitur einführen – für alle SchülerInnen, die nach den Sommerferien in die 11. Klasse wechseln.

Gegen Bögers Vorhaben aber regt sich zunehmend Widerstand – und der reicht von der GEW bis zum konservativen Philologenverband. „Eine flächendeckende Einführung zum kommenden Schuljahr schafft mehr Unsicherheit als Innovation“, kritisiert der Schulbeirat. Eine berlinweite Elterninitiative lädt am 29. November zu einer Veranstaltung in die Kreuzberger Carl-von-Ossietzky-Oberschule. „Mit einer solchen Reform muss man spätestens in der 7. Klasse anfangen“, sagt Elternvertreter Erwin Meyer. „Sonst kriegt man in der Mittelstufe ein Problem.“

Andere beklagen Probleme bei Details: bei Auslandsaufenthalten, die meist in Klasse 11 absolviert werden und dann schwieriger möglich sind, bei Abstrichen in den Naturwissenschaften und Mathematik, die in der Mittelstufe kompensiert werden müssen, und beim Nachmittagsunterricht, für den die Schulen nicht gerüstet sind.

Diese Kritik hat sich bis in die Koalition herumgesprochen. „Inhaltlich ist unser Vorhaben richtig, aber vielleicht sollten wir uns mehr Zeit lassen“, sagt Felicitas Tesch, die bildungspolitische Sprecherin der SPD. Sie plädiert für einen Aufschub um ein Jahr. „Es reicht, wenn die Reform 2004 in Kraft tritt.“ Ähnlich sieht es auch die PDS, die einer Schulzeitverkürzung generell zugestimmt hat. Bei der Einführung des Zentralabiturs drängt sie aber auf einen Kompromiss. „Die eine Hälfte könnte sollte zentral bestimmt sein, die andere den Schulen überlassen werden“, sagt Fachpolitikerin Siglinde Schaub. Ob mit Böger ein solcher Kompromiss zu machen ist, wird sich heute zeigen.

SABINE AM ORDE