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„Noirs dans les camps nazis“

betr.: „Der Designer war schuld“ (zur Ausstellung „Besondere Kennzeichen: Neger. Schwarze im NS-Staat“ im Kölner Stadtmuseum ), taz vom 16./17. 11. 02

Die Ausstellung und das Projekt Schwarze im NS-Staat sind rechtzeitig gekommen. Julia Grosse hat vom Konzept nichts begriffen. Das Einzige, was sie interessierte, war die Pressekonferenz am 7. November 2002 vormittags. Julia Grosse hat an der Eröffnung nicht teilgenommen und kann auch von der Begeisterung der Gäste nichts mitbekommen haben. Hintergründe der Vorbereitung sind nicht mit dem Inhalt der Ausstellung gleichzusetzen. Die Weltpremiere in Deutschland war ein historisches Ereignis.

Frau und Herr Ngando, die am Eröffnungsabend teilgenommen haben, blieben bis spätabends und haben den zahlreichen Gästen ihre Erinnerungen ständig erzählt. Julia Grosse hat die Gelegenheit, zwei schwarze Zeitzeugen des NS-Regimes zu interviewen verpasst. Wie schade!

Schwarze befassen sich mit der Geschichte der Schwarzen im NS-Staat seit einiger Zeit. Das Thema ist bis jetzt auf großen Widerstand in Europa gestoßen. Michèle Maillet, eine schwarze Französin, hat den Roman „L’Étoile noire“ (1990) zu diesem Thema geschrieben. Serge Bilé, ein schwarzafrikanischer Regisseur, drehte den Dokumentarfilm „Noirs dans les camps nazis“ (1995). Die Ausstrahlung dieses Films in Elfenbeinküste im Fernsehen wurde von der französischen Botschaft in Abidjan blockiert. Begründung: Die Ausstrahlung hätte zum Hass der Weißen in Elfenbeinküste und zur diplomatischen Unstimmigkeit mit Deutschland führen können. Dieser Film wurde von allen französischen Fernsehsendern boykottiert. Erst im Jahr 2001 wurde er von dem privaten Sender Histoire gezeigt. In Le Monde Télévision vom 29./30. Juni 2001 wurde das Thema zum ersten Mal in den französischen Medien behandelt. Prof. Philippe Lavodrama stellt in seinem Artikel: „Allemagne. Oubli. Noirs dans les camps nazis, ou les trous de la mémoire occidentale“, Regards africains 47/48, 2002, ein „Komplott des Schweigens“ zum Thema Schwarze im NS-Staat dar.

Die Ausstellung „Besondere Kennzeichnen“ ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung dieses Komplotts, ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung der Geschichte zwischen den Deutschen und den Schwarzen sowie den Deutschen und den Hereros (Namibia), den Deutschen und den Dualas (Kamerun) und den Experimenten von Virchow in Deutsch-Ostafrika.

Ich wünsche mir persönlich, dass diese Ausstellung, die als Wanderausstellung konzipiert ist, eine ständige und eigenständige Ausstellung in Berlin wird. Aber vor allem, ein Denkmal für die schwarzen Opfer des NS-Staates vor dem Bundestag oder am Brandenburger-Tor-Platz (Pariser Platz). We shall overcome. Trotz der Hindernisse. SHUNGU M. TUNDANONGA-DIKUNDA, Berlin

Ich war bei der Eröffnungsveranstaltung. Dort sprachen vor über 200 Gästen Sascha Zinflou von der Initiative Schwarzer Menschen in Nordrhein-Westfalen und der Kölner Rechtsanwalt Christoph Kabambe. So wie diese beiden schwarzen Deutschen die Ausstellung öffentlich gelobt haben, so unübersehbar beeindruckt waren fast alle anderen schwarzen und weißen BesucherInnen. Da ich für diese Ausstellung in den Archiven der ehemaligen preußischen Rheinprovinz über ein Jahr lang recherchiert habe, war ich sehr davon berührt mitzuerleben, wie über 70- und 80-jährige schwarze Deutsche, die dem Schrecken des NS-Staates entkommen waren, mit Genugtuung den Reden zuhörten und mit großer Erleichterung und Freude erlebten, wie ihnen durch diese Ausstellung Rehabilitation und Respekt entgegengebracht wird.

Jetzt kann man sich auch außerhalb Kölns durch eine Internetpräsentation einen ersten Eindruck von der Ausstellung verschaffen: www.museenkoeln.de/ausstellungen. Der Katalog wird leider erst Anfang 2003 erscheinen. KLAUS JÜNSCHKE, Köln

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