IM KAMPF GEGEN WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT VERSAGEN ALLE PARTEIEN
: Unheilige Allianzen

Wenn das Bundeskriminalamt alle halbe Jahre die Spezialisten der Wirtschaftskriminalität zur Tagung ruft, geht auf Anwesende und Beobachter ein Gewitter von Zahlen, Mahnungen und guten Absichten nieder. Leider verbessert sich die Lage trotz der Appelle kaum. Dabei haben die Kriminaler recht, wenn sie hier genau hinschauen: Zwar sind weniger als 2 Prozent aller Kriminalfälle Wirtschaftsdelikte. Diese verursachen aber knapp zwei Drittel der materiellen Schäden, die durch Kriminalität entstehen. Solche Statistiken sind jedoch gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität Makulatur, denn nur was angezeigt wird, kommt in die Statistik. Und bei den Gaunern in Nadelstreifen ist die Dunkelziffer hoch.

Die wirklich hohen Schadenssummen gehen dabei auf Kosten der Allgemeinheit mit Delikten wie Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Anlagebetrug und der anscheinend in Deutschland weit verbreiteten Bestechung bei der Vergabe öffentlicher und privater Aufträge. Hier versagen sowohl die Bundes- als auch die meisten Landesregierungen gleich welcher Partei. Denn Reformen in diesem Bereich bringen dem Staat mehr, als sie kosten, und schaffen auch noch Arbeitsplätze.

Steuerfahnder etwa gibt es heute zwar doppelt so viele wie vor fünf Jahren – trotzdem sind es bundesweit nur 2.000. Da kann jeder Schwindler mit gutem Grund hoffen, dass er nicht erwischt wird. Und selbst wenn: Bei vielen Delikten, allen voran Bestechung und Anlagebetrug von der Börse bis zum Haustürgeschäft, passiert ertappten Sündern kaum etwas. Bis heute gibt es keine bundesweite „schwarze Liste“, die wegen Korruption verurteilte Firmen für eine Weile von öffentlichen Aufträgen ausschließt. Und trotz aller Finanzgesetze gehen rechtlich gut beratene Vorstände von Unternehmen praktisch nie ins Gefängnis, mögen sie noch so viele Millionen Euro von Anlegern oder Geschäftspartnern vernichtet haben.

Warum aber kommen keine wirksamen Vorschriften, warum fehlt es an qualifiziertem Personal in den Wirtschafts-Staatsanwaltschaften und bei den Finanzfahndern? Darauf erhält man vom Gesetzgeber keine befriedigende Auskunft – trotz leerer Staatskassen. Und die Unternehmensverbände drücken auch nicht gerade auf die Reformtube. Mag sein, dass es daran liegt, dass große Namen wie Siemens und RWE/Trienekens in letzter Zeit prominente Korruptionsbeschuldigte waren und die Banken viele faule Firmen an die Börse brachten. Da fühlen sich alle Beteiligten sicherer, wenn keine schmerzhaften Strafen drohen. Dafür kann man auch mal einer Partei was spenden. Solange solch unheilige Allianzen bestehen, kann das Kriminalamt lange tagen. REINER METZGER