Am falschen Ort

Senator Schill verteidigt harte Linie gegen Demos. FC St. Pauli missbilligt Übergriffe auf Fans

Er lernt nichts dazu: „Entschlossenes Auftreten der Polizei in ausreichender Stärke ist die einzige Sprache, die Gewalttäter verstehen“, verteidigte Innensenator Ronald Schill gestern die Polizeieinsätze gegen Demonstranten in Hamburg. Ein Wort des Bedauerns für die beiden Zivilbeamten aus Schleswig-Holstein, die von thüringischen Kollegen krankenhausreif geprügelt wurden (taz berichtete gestern), kam ihm nicht über die Lippen. Stattdessen legte sein Staatsrat Walter Wellinghausen Wert darauf, dass „auch für Polizisten die Unschuldsvermutung gilt“.

Nach taz-Informationen gehören die schlagenden Beamten zu einer thüringischen Einheit, die intern „die Bisons“ genannt werden. Sie seien bereits bei der Demonstration am Sonnabend durch besondere Aggressivität aufgefallen. Aus Polizeikreisen verlautete, die Truppe habe „Frust geschoben“. Sie habe in der Woche davor beim Castor-Transport im Wendland „zu lange in Bereitschaft gesessen, ohne zum Zuge zu kommen“.

Der grüne Fraktionschef in Kiel, Karl-Martin Hentschel, hat die rot-grüne Landesregierung aufgefordert, vorerst keine Polizisten mehr als Amtshilfe nach Hamburg zu schicken. Er sei „empört“ darüber, „in welch rücksichtsloser Weise in Hamburg mit dem Bürgerrecht der Demonstrationsfreiheit umgegangen wird“. Er forderte den Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schill auf, sich bei den Beamten zu entschuldigen. Innenminister Klaus Buß (SPD) verwies betont reserviert darauf, alle Bundesländer seien „verpflichtet“, gegenseitige polizeiliche Hilfe zu leisten. Dabei dürften „politische Aspekte“ keine Rolle spielen.

Der taz hamburg liegen inzwischen mehrere Berichte von Unbeteiligten vor, die in der Nacht zum Dienstag auf St. Pauli von Polizisten schikaniert wurden. So geben drei AnwohnerInnen aus der Wohlwillstraße an, auf dem Heimweg „gegen 0.30 Uhr“ nicht in ihre Wohnungen gelassen worden zu sein. Obwohl sie per Ausweis ihre Adresse nachweisen konnten, seien sie von Polizeiketten mit der Begründung „Ihr seid zur falschen Zeit am falschen Ort“ der eigenen Haustür verwiesen worden.

Auch etliche BesucherInnen des vorangegangenen Fußballspiels des FC St. Pauli am Millerntor gerieten in den Polizeikessel auf dem Kiez. Die Mitgliederversammlung des Vereins verabschiedete am Donnerstagabend einen Protest, in dem „die ungerechtfertigten Übergriffe und Ingewahrsamnahmen von Mitgliedern und Fans durch Polizeikräfte missbilligt“ werden.

Durch eine Anfrage an den Senat will der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Mahr „die Verantwortung des Senators“ in Erfahrung bringen. Unter anderem interessiert ihn, ob Erkenntnisse aus der Konfliktforschung in der Hamburger Polizei berücksichtigt würden.

Die Antwort kann Mahr sich selbst denken. sven-michael veit

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